Ambitioniert und gut besetzt war die Stadt der Ströme Konferenz – mit einem elementar wichtigen Anspruch: Nämlich der Auseinandersetzung mit den “vielfältigen Schnittstellen zwischen digitaler und analoger (physischer) Stadt”, wie es im Vorwort heißt. Dabei sollten die “Wechselwirkungen zwischen neuen digitalen Services und Lebenswelten und Entwicklungen in der Architektur, Stadtplanung, Quartiersmanagement etc.” diskutiert werden. Das Programm versprach einiges und lies auf neue Erkenntnisse hoffen.

Der erste Teil Datenströme „Mapping the City“, an der ich teilnahm, war eine gelungene Einführung in die neuen Möglichkeiten der Stadtkartografie und den damit einhergehenden neuen Ansätzen der Stadtanalyse und Visualiserung.

Den Auftakt der Vorträge machte Till Nagel, der 3 Projekte vorstellte, die Studierende entwickelt hatten und die sich die vielfältigen  digitalen Datenströme und Datenspuren zu Nutze machen. Das Projekt Splendor zeigt den Mehrwert von georeferenzierten Metadaten – die Ausertung dieser zeigt, “aus welcher Perspektive Fotoaufnahmen vorzugsweise gemacht werden und welche Regionen und Sehenswürdigkeiten besonders stark frequentiert sind.” Weiteren Projekte waren Venice unfolding und Liquidata. Einen Schritt weiter in Bezug auf Visualisierung, aber der Auswertung und Analyse der vorhandenen Datenströme, geht das Projekt LiveSingapure, bei welchem beispielsweise die Informationen über Ein- und Auschecken in Bus und Bahn für genaue Auslastungs- und Bedarfsanalyse der im ÖPNV genutzt werden können.

Hier anknüpfend machte sich Michal Migurski daran, mit eben soviel Spirit und die Begeisterung weitere spannende Projekte vorzustellen. Dabei stellte er die These auf, dass die Datenvisualisierung selbst inzwischen nicht mehr die wirklich Herausforderung ist – “visualisation problems are solved”, da es es in diesem Bereich inzwischen genug Kompetenz und Tools gibt. Viel wichtiger sei nun der Umgang mit den Daten, deren Aufbereitung, ihre Interpretation und das richtige In-Kontext-Setzen. Beispiele für gelungene Visualisierungen zeigte er natürlich auch: beispielsweise die auf OpenstreetMap basierenden Maps, in denen man zwischen grafisch-reduzierten (toner) und eher spielerisch-atmosphärischen Karten (watercolor) wählen kann.

Anhand der Crimemap, wie crimespotting, zeigte Miguski, wie viel Auswertungsmöglichkeiten gut aufbereitete und strukturierte Datensätze erlauben – und das nicht mittels komplexer Excel-Dateien, sondern einfach und schnell via Internet für jeden Bürger. So lassen sich die Datensätze, nach Thema, Uhrzeit, eigenen Nutzungen, etc filtern. Migurski betonte hierbei den Wandel der Informationshoheit – was früher der Polizeibehörde zur Verfügung stand, kann nun jeder Bürger genau betrachten und dementsprechend auf gleicher Informationsbasis mitreden und Entscheidungen treffen. Ob Crimemaps hierfür das beste Beispiel sind, wage ich mal zu bezweifeln, aber die Umsetzung, technischen Möglichkeiten und Visualiserungskompetenz zeigten, wie viel Potential in diesem Thema noch liegt (für interessierte Leser noch der Hinweis zu meinem Artikel in der StadtBauwelt, in dem ich die Möglichkeiten und Gefahren darstelle).

Christian Derix, zeigte unter dem Titel “Mapping spatial configurations and user behaviors for urban design” Beispiele für Forschungsarbeiten für die Planungs- und Architekturpraxis – und verdeutlichte Damit, dass diese Methoden einen Mehrwert auch in diesen Bereichen bringen können. Anhand der Daten der Fahrradverleihsysteme in London errechten er und seine Kollegen etwa den eingesparten CO²-Verbrauch – und stellten fest, dass dieser in etwa 0.005% des Gesamtverbauch der Stadt betrug. Also ein verschwindend geringer Anteil, der zeigt, dass solche Verkehrssysteme nur einen kleinen Teil für eine ökologische Wende von Städten beitragen (wobei Radverkehr weitere positive Effekte wie reduzierter Verkehrslärm, körperliche Ertüchtigung, Verkehrssicherheit erzeugt, die dabei nicht vergessen werden sollten).

Jason Dykes warb dann für umfangreiche Datenanalysen und deren grafische Aufbereitung, um komplexe zusammenhänge leichter verständlich zu machen – gerade auch für Nicht-Experten. Dies zeigte er auch am Beispiel der Fahrradverleihsysteme in London, deren Ausleih- und Rückgabezeitpunkte und Orte ausgewertet wurden. Welche Strecken zurückgelegt werden, welche Strecken gefahren und wie die Auslastungen sind, wurde dann grafisch umgesetzt. Hier lassen sich die verschiedenen Ansichten (ob Kartenansicht oder abstrahiertes Grid) ansehen. Dabei stellte er wichtige Fragen, nach der Sichtbarmachung von solcher Art Information und den Adressaten (Laien, Experten) und in wie weit dies als geografische oder abstrahierte grafische Umsetzung besser funktioniert.

Diese wurden dann auch in der Diskussion aufgegriffen. Gerade die Frage nach den Adressaten wurde diskutiert. Nicht nur ob und wie man es schaffe, Laien zu erreichen, sondern auch gerade die Entscheider in Städten, denen solche Datenauswertungen helfen können, bessere Entscheidungen zu treffen. Denn – und das wurde in dieser Session klar – die technischen Tools, erlauben neue Einblicke in urbane Prozesse, die vor der Digitalisierung einfach nicht möglich waren (aufgrund Nichtvorhandensein der Daten, fehlender Rechnerleistung, geringer Webtools, geringerem Interesse). Und dabei ist die Auswertung zwar nur ein Schritt: auch die Visualisierung muss sich an den Adressaten orientieren. Und hier ist, trotz aller Fortschritte noch einiges an Lernprozessen notwendig – auf Seiten der Designer (die sich stärker in der Rolle von Informationskommunikatoren zu Laien und Entscheidern sehen sollten), aber auch auf Seiten der Noch-Nicht-Nutzer (die sich mit den Techniken und Funktionsweisen vertraut machen sollten). Es ist ein wechselseitiger Prozess, der aber, wenn wir uns den Erfolg von Google Maps und  interaktiven Wetterkarten (die Jason Dykes als gutes Beispiel für den Erfolg von Datenvisualisierung nannte) anschauen, schon viel Fortschritte gemacht hat.

Eine gelungene Auftaktrunde für die Konferenz, die Lust auf mehr machte. Danke an die Organisation und die Referenten.