Blick vom Kreisel während der Bauarbeiten; Man beachte den bereits frühzeitig wieder abgerissenen Skywalk zum Hermann-Ehlers-Platz! (Quelle: bildindex Kunst & Architektur)

Eigentlich ist der Titel dieses Artikels nicht ganz korrekt: Der Höhepunkt des Bauskandals um den Steglitzer Kreisel jährt sich in diesem Jahr bereits zum 36. Mal. Doch die Eröffnung des mit 119 Metern immerhin dritthöchsten Gebäude Berlins war vor 30 Jahren. Eine gute Gelegenheit einen Blick auf die Geschichte und die mögliche Zukunft des Gebäudes zu werfen.

Sigrid Kressmann-Zschach (SKZ): Die Presse nannte sie gerne die schöne Sigi. Eine Architektin, die in West-Berlin in den 1960er- und -70er-Jahren für Aufsehen sorgte. Zunächst mit ihrem scheinbar grenzenlosen Erfolg (u. a. erbaute sie auch das Ku’Damm Karrée), ihrer Durchsetzungsfähigkeit, ihrem Einfluss auf die Berliner Politiker, ihren prominenten Geliebten und insbesondere zuletzt mit der spektakulären Pleite ihres Bauunternehmens Avalon.

Als SKZ von den Plänen des Berliner Senats erfuhr, eine U-Bahn nach Steglitz zu bauen, erwies sie den richtigen Riecher: Am Standort des (vorläufigen) Endpunktes der Linie 9 am Rathaus Steglitz sicherte sie sich von den privaten Grundstückseigentümern mit einer Scheinfirma die Optionen für den Grundstückserwerb. Ihr Plan: Die Errichtung eines Bürohochhauses mit Shopping-Mall. Wollte der Senat an seinen U-Bahnplänen festhalten, musste er den Plänen von SKZ zustimmen. Und da sich auf ihrem Grundstück die U-Bahnlinien 9 und 10 verzweigen sollten und daher ein Busbahnhof geplant war, lies sich SKZ den mit 180 Millionen Mark veranschlagten Bau zu etwa einem Viertel vom Berliner Senat finanzieren. Schließlich waren U-Bahn und Bus ja kommunale Projekte. Zudem stellte der Senat 33 Millionen Mark als Zins- und Tilgungshilfe zur Verfügung.

Die Verkehrsanlagen im Kreisel (aus: V+T 1975 (9) S. 350)

Diese 33 Millionen DM waren dann doch einigen Berliner Politkern zu viel und sie forderten eine Absicherung. Diese gab SKZ in Form der privaten Bürgschaft, dem Land Berlin 10 Etagen des Kreisels im Jahr 1978 zu übermachen. Bis dahin sollten diese Etagen an das Steglitzer Bezirksamt vermietet werden – zu horrenden Mietpreisen. Doch der Bau war bereits in vollem Gange. Und um einen Prestige-Verlust zu vermeiden und das U-Bahnprojekt nicht zu gefährden, engagierte sich das Land finanziell immer stärker.
Und das, obwohl mit jeder errichteten Etage des Gebäudes auch die Kosten wuchsen: Anstelle der ursprünglich veranschlagten 180 Millionen Mark waren es bis zum Baustopp 1972 nahezu 324 Millionen Mark. Und dieses Geld konnte SKZ nicht mehr auftreiben. Und so wurde der Kreisel zur prominentesten und skandalösesten Bauruine Berlins. Das Land verlor über 40 Millionen Mark, die es als Berlin-Kredit gewährt hatte, musste die 100%ige Bürgschaft für einen Bankkredit über 30 Millionen Mark einlösen und hatte eine weitere Investitionszulage aus Steuergeldern in Höhe von 22 Millionen Mark gewährt.
Bausenator Schwedler, der mit Vorliebe Großprojekte in Berlin bewilligte, trat 1972 zurück. Gegen den Finanzsenator Heinz Striek wurde von der Staatsanwaltschaft ermittelt. Der oberste Finanzbeamte Berlins Klaus Arlt, der maßgeblich die öffentlichen finanziellen Unterstützungen für das Projekt zu verantworten hatte, wurde suspendiert, da er mehrfach mit SKZ (und auf ihre Kosten) “Dienstreisen” unternommen hatte – jeweils mit gemeinsamer Übernachtung im Doppelbett…

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Der Kreiselsong von Lokomotive Kreuzberg

Ermittlungen gegen SKZ wegen Betrugsversuchs wurden 1975 ergebnislos eingestellt. Formaljuristisch hatte sie sich nicht strafbar gemacht. Sie wusste nur sehr geschickt den Berliner Filz zwischen Politik und Bauwirtschaft sowie die absurden Steuervergünstigungen und Investitionszulagen für Projekte in der Frontstadt West-Berlin zu nutzen. Und sie hatte ihre Projekte schöngerechnet. Kriminell – so zumindest die Ansicht der Staatsanwaltschaft war das nicht. SKZ († 1990) erhielt ein Ehrengrab auf dem Zehlendorfer Waldfriedhof.

Dem Land Berlin gehörte nun eine Bauruine, deren Rentabilitätsschätzungen – so erwies sich bei näherer Betrachtung – mit vollkommenden überzogenen Mieteinnahmen kalkuliert worden war. Bis 1977 blieb der Kreisel eine Bauruine. Und in unmittelbarer Nachbarschaft befand sich zwischen 1972 und 1974 die Bauruine des Biepinsels, der ebenfalls mit öffentlichem Geld fertiggebaut werden musste.
1977 konnte der Kreisel an den privaten Investor Becker&Kries verkauft werden – für gerade einmal 32 Millionen Mark. Und Becker&Kries erhielt vom Bezirk eine Mietgarantie für das gesamte Hochhaus auf 10 Jahre. Und so zog nach Baufertigstellung im Jahre 1980 – 11 Jahre nach Baustart – das Bezirksamt Steglitz in den Büroturm. Nach Ablauf dieser 10 Jahre kaufte der Bezirk den Kreisel für weitere 67 Millionen Mark. Dass es ein Asbestproblem geben könnte, ahnte man.
Dieses wurden bereits 1990 auch offiziell bekannt. 2007 zog das (mittlerweile mit Zehlendorf fusionierte) Bezirksamt aus. Seither steht der Turm leer und kostet jährlich beinahe 2 Millionen Euro Unterhalt. Der Versuch des Liegenschaftsfonds Berlin das Gebäude zu verkaufen, waren bislang nicht erfolgreich. Und so ist auch ein Abriss des Gebäudes weiterhin nicht ausgeschlossen. Allerdings erst nach der Asbestsanierung, die mit ca. 30 Millionen Euro veranschlagt ist. Und der Sockelbau, in dem sich ein Hotel, der Busbahnhof und einige Geschäfte befinden gehört immer noch Becker&Kries. Somit würde im Falle eines Abrisses zwar der Turm verschwinden, nicht allerdings die gesamte Anlage.
Man darf gespannt sein auf weitere Kapitel von der unendlich teuren Geschichte des Kreisels.