Wir von urbanophil sind aus dem Häuschen: Kürzlich erschien Ausgabe 2 des Magazins spacemag, vom Hamburger spacedepartment. Die Ausgabe steht unter dem Motto ‘Gaffa Urbanismus‘, jedes einzelne Titelblatt der Ausgabe ist individuell mit verschiedenen Tapebändern gestaltet (s. Foto) und inhaltlich sind wir von der Vielseitigkeit und dem Gehalt des Magazins durchweg begeistert. Im Impressum ist zu lesen, dass das spacemag “ein Magazin für urbane Phänomene und urbane Alltagskultur” ist. Wir von urbanophil wollten es ein bisschen genauer wissen: spacedepartment, wer ist das eigentlich? Wie kam es zum spacemag, was ist jetzt nochmal genau Gaffa Urbanismus und darf man zukünftig noch mehr erwarten?
Genügend Anlässe für ein ausführliches Interview mit Sven Lohmeyer vom spacedepartment aus Hamburg. Neben den bereits angesprochenen Themen ging es um derzeitige Entwicklungen in der Hansestadt, wie die Künstlerproteste im Gängeviertel und die Diskussionen um den Innenstadt-Ikea in Hamburg Altona und welchen Einfluss das Internet und soziale Medien auf Stadtplanung und Stadtentwicklung ausüben.

UP: Wie kam es zu dem Thema eurer aktuellen Ausgabe des spacemag: „Gaffa Urbanismus“?
SD: Einige Mitglieder vom spacedepartment beschäftigen sich seit Längerem mit dem Thema des informellen Städtebaus und wir wollten daher ein Magazin darüber machen. Lange Zeit war also „Informelle Stadt“ der Arbeitstitel dieser Ausgabe. Aber das war uns am Ende ein zu sperriger Begriff. Wir haben dann „Gaffa Urbanismus“ als Kunstwort erfunden, als Synonym für etwas ‘nicht reglementiertes’, etwas ‘(noch) nicht fertiges’. Wir haben dann ein ‘Call for Papers’ veröffentlicht und gewartet was passiert: Was weckt dieser Begriff für Assoziationen? Wie entwickelt sich der Begriff? Im Magazin ist nun natürlich viel über Streetart, viel über Gaffa-Kunst und das Gaffa-Tape zu lesen, aber eben auch über… informellen Städtebau und Situationismus. Die breite Streuung, die im Magazin wiederzufinden ist, ist durchaus beabsichtigt und macht auch den Reiz aus. Ich bin durchaus gespannt, ob und wie der Begriff an anderer Stelle wiederverwendet wird. Wir haben das Thema übrigens jetzt nicht abgeschlossen sondern werden unter der Domain gaffaurbanismus.de künftig ein wenig bloggen. Vielleicht vergeben wir irgendwann auch mal einen Gaffa-Award oder ähnliches. Mal sehen.

up: Und könnt ihr von dem Magazin schon leben?
sd: Nein, ganz im Gegenteil. Das Projekt ist im Moment sogar noch ein Zuschussgeschäft. Das spacemag ist ein Liebhaberprojekt und lebt von unserer persönlichen Begeisterung für urbane Themen und natürlich der Begeisterung der Autoren, die uns ihre Texte unentgeltlich zur Verfügung stellen. Dass eine Ausgabe die nächste finanziert ist erstmal das Ziel. Im Moment haben wir noch gar keine Werbung geschaltet. Das werden wir für Ausgabe #3 ändern, indem wir Läden und Produkte mit reinnehmen, hinter denen man stehen kann. Auch das nicht, um reich zu werden sondern um mittel- bis langfristig die Auflage zu erhöhen und auch mal Interviewreisen zu realisieren. Den Autoren was zahlen zu können, bspw. ein Zugticket samt Übernachtung für unsere Releasepartys, fände ich persönlich auch sehr cool.

up: Das heißt übersetzt, ein bisschen Werbung für euer Magazin kommt euch im Moment durchaus gelegen? [z.B. durch Verlinkung zur Website mit Bestellinformationen]
sd: Im Moment kennt uns ja nur ein ganz kleiner Kreis von Leuten. Wir werden zwar bald die dritte Auflage von Ausgabe #2 drucken, aber eine Auflage hatte auch lediglich 100 Exemplare. Mit der dritten Ausgabe wollen wir etwas wagen und eine Auflage von 1.000 Stück drucken. Wir haben die Ambition stadtrelevante Themen zu vermitteln und in Kreise zu tragen, die sonst keine Architekturmagazine lesen.
Mein Eindruck ist, dass (auch durch das Internet) das Interesse an Stadt-Themen generell größer wird, so wie auch der Wunsch Stadt selber mitzugestalten und zu planen. Diese Entwicklung möchten wir durch unser Magazin unterstützen. Und na klar, Werbung tut unserem Magazin daher immer gut.

up: Wie geht es also weiter mit dem spacemag und was sind die Pläne des spacedepartment für die Zukunft?
sd: Im Moment ist auf jeden Fall eine Phase der Weichenstellung, denn natürlich kommt die Frage auf, was aus dem Projekt wird, wenn wir alle mal das Diplom in der Tasche haben und die Gefahr ist groß, dass sich die Sache verliert. Bei einigen von uns existiert deshalb auf jeden Fall der Wunsch, sich selbständig zu machen und als Büro zu etablieren. Mal schauen, ob uns das gelingt.
An neuen Projektideen neben dem Magazin haben wir im Moment vor allem ein Podcast-Projekt, das im Sommer an den Start gehen soll. Das Magazin ist im Moment aber das Hauptprojekt, das es uns als Gruppe ermöglicht, persönlich und fachlich in Kontakt zu bleiben, auch wenn wir räumlich mal etwas weiter verstreut sein sollten. Der nächste Call for Papers wird wohl bereits im April veröffentlicht. Erscheinen wird Ausgabe #3 wahrscheinlich im Spätsommer.

up: Wie kam es denn überhaupt zur Gründung vom spacedepartment, wie habt ihr euch kennengelernt und wie ist die Idee entstanden, ein Magazin zu machen?
sd: Wir sind alle Studierende oder Absolventen der Stadtplanung an der Hafencity-Universität in Hamburg und haben uns schon innerhalb der ersten zwei Wochen des Studiums kennengelernt. Im Verlauf des Studiums müssen wir mehrere Studienprojekte machen und vier von uns haben schon im ersten Projekt zusammen gearbeitet. Das spacemag ist 2008 im Rahmen unseres letzten Studienprojekts entstanden. Wir wollten am Ende ein Produkt haben, das den Uni-Kosmos verlässt. Ein Magazin erschien uns da als die richtige Form. Im Rahmen dieser Arbeit haben wir auch externe Autoren gefragt, ob sie Beiträge schreiben würden. Die Resonanz war vollkommen überraschend. Von 17 angefragten Autoren – darunter Professoren und Unternehmer – haben sich 11 bereit erklärt, unentgeltlich Beiträge zu verfassen, weil sie das Projekt super fanden. Das war eine tolle Erfahrung, dass es so viele Menschen gibt, die Lust haben bei unserem Projekt mitzumachen. Auch die Uni fand das Projekt gut und hat glücklicherweise eine Förderung für den Druck ermöglicht. Positives Leserfeedback gab es dann auch noch, naja, und bei diesem insgesamt sehr positiven Auftakt wollten wir es dann nicht belassen sondern weitermachen. Gegründet haben wir spacedepartment allerdings schon früher. Bereits im Oktober 2007 kam der Wunsch auf, sich nicht nur theoretisch mit urbanen Themen zu beschäftigen sondern selber aktiv zu werden. So kam die Idee auf, sich einen gemeinsamen Arbeitsraum zu suchen…

up: Was in Hamburg wahrscheinlich gar nicht so einfach ist, oder?
sd: Schon, aber es ging glücklicherweise sogar relativ schnell. Wir haben Kontakt zu Frappant, [ein Zusammenschluss von ca. 120 – 140 Künstlern und Kreativen in Hamburg] aufgenommen, die zu dem Zeitpunkt noch in einer alten Shopping-Passage saßen und durch die bekamen wir den Tipp, dass ein Architekt in einem leer stehenden Supermarkt einen Arbeitsraum eingerichtet hatte. Dort war noch reichlich Platz vorhanden und so kamen wir an unseren ersten Arbeitsraum.

up: Habt ihr weiterhin euren Arbeitsraum?
sd: Mittlerweile sind wir in unserem dritten Arbeitsraum innerhalb von drei Jahren. Zunächst sind wir in ein jahrelang leer stehendes Karstadt-Gebäude in der Großen Bergstraße in der Nähe des Bahnhofs Altona gezogen. Dort haben wir als Mitglied von Frappant einen Raum bekommen. Frappant hatte die Genehmigung, dort Räumlichkeiten zu vermieten. Nach einem positiven Bürgerentscheid kommt dort nun jedoch ein IKEA hin, weshalb wir wieder umziehen mussten.

up: Ikea und Frappant sind ein gutes Stichwort. Denn nicht nur diese Entwicklung hat über Hamburg hinaus Öffentlichkeit erzeugt, vor allem die Künstlerproteste im Gängeviertel haben bundesweit für Aufsehen gesorgt, das Manifest wurde u.a. in der ZEIT abgedruckt. Wie habt ihr diese Entwicklung verfolgt und hat sich durch die Proteste etwas verändert, z.B. auch für euch bzw. Frappant?
sd: Die Gängeviertel-Geschichte hat eine riesige Welle der Solidarität ausgelöst, womit der Senat in Hamburg so wohl überhaupt nicht gerechnet hatte. Selbst im bürgerlichen Lager hat es große Unterstützung für die Künstlerproteste gegeben. Durch die große Welle der Solidarisierung hat es ein engeres Zusammenrücken verschiedener Initiativen gegeben, was auf jeden Fall sehr positiv zu sehen ist. Dennoch hat mich die Entscheidung pro IKEA in Altona nicht überrascht, das war nochmal eine andere Geschichte. „Dieser hässliche leer stehende Karstadt-Block“ war in der Bevölkerung der Ausdruck bzw. das Symbol, dass diese Gegend in den letzten Jahren „vollkommen heruntergekommen“ ist, weshalb letztendlich eine deutliche Mehrheit der Altonaer Bürger für die PRO-IKEA-Initiative Altonaer Geschäftsleute gestimmt hat.
Allerdings hat der Bezirk Altona schon längere Zeit beobachtet, dass sich im Zusammenhang mit Frappant zahlreiche Aktivitäten und Aufmerksamkeiten entwickelt haben. Daher besteht von Seiten des Bezirkes ein gewisses Interesse, uns Kreative und Künstler im Bezirk zu halten. Ich hoffe, dass durch die Diskussionen der letzten Monate, einige Dinge für derartige Initiativen und Vereine einfacher werden. Ein Beispiel dafür ist, dass die Finanzbehörde bis vor kurzem kommunale Gebäude und Liegenschaften hauptsächlich im Höchstgebotsverfahren vergeben hat. Das soll sich zukünftig ändern, das Konzept soll mehr in den Fokus rücken. Hier hat sich also bereits etwas getan.

up: Bei urbanophil waren das Internet und die damit verbundenen Möglichkeiten, Informationen zu urbanen Themen zu bündeln, zu kommentieren und zu filtern, sowie vor allem selbst als Produzent von Informationen tätig zu werden, einer der wichtigsten Anlässe zur Gründung. Welche Bedeutung hat das Internet für euch mittlerweile? Wie ist hier euer Selbstverständnis?
sd: Das würden die Leute in unserer Gruppe sehr unterschiedlich beantworten. Einige von uns sind auf jeden Fall sehr enthusiastisch. Rudi [Rudolf Klöckner] z.B. hat mit urbanshit.de seinen eigenen Streetart-Blog, auf dem er im Moment mehrmals täglich postet. Einige andere nutzen das Netz nicht so intensiv. Klar haben wir ja auch ne Website, wir sind auch auf Facebook, aber eine allgemeine Meinung zum Internet gibt es in unserer Gruppe sicherlich nicht. Ich persönlich nutze das Netz und alle möglichen Web-2.0-Geschichten sehr ausgiebig und denke auch, dass wir diese in Zukunft intensiver nutzen werden. Diese Kanäle bieten halt grandiose Möglichkeiten, um Kommunikation auf Augenhöhe zu führen und direktes Feedback zu bekommen. Gerade beim spacemag sind wir ja sehr auf Feedback angewiesen.

up: Und was glaubst du, was das Internet für einen Einfluss auf das Feld der Stadtplanung, bzw. Stadtentwicklung allgemein ausüben wird?
sd: Die Frage finde ich schwierig zu beantworten. Bei Bewegungen wie rund um das Gängeviertel spielen das Netz und vor allem die sozialen Medien mit Sicherheit eine große Rolle. Die Möglichkeiten der Mobilisierung sind hier einfach unglaublich hoch, da spielen diese Kanäle ihre Stärken aus. Für die Profession Stadtplanung wird es denke ich einfacher, mit anderen Disziplinen oder untereinander mit Gleichgesinnten in Kontakt zu kommen.

up: Das können wir von urbanophil so bestätigen, denn ohne das Internet hätten wir vielleicht noch gar nicht vom spacemag erfahren! Vielen Dank für diesen spannenden Einblick in eure Arbeit.
sd: Ich danke auch, vielleicht bis bald bei einer eurer nächsten Veranstaltungen.

Und so endete ein spannendes und inspirierendes Gespräch. Mittlerweile hat sich der beim Interview angekündigte Besuch konkretisiert und so wird das spacedepartment voraussichtlich an unserem urbanoQUIZ im Bierpinsel teilnehmen. Wahrscheinlich wird es die Möglichkeit geben, das spacemag vor Ort zu erwerben. Wer nicht warten möchte, der bestelle bitte ein Exemplar per E-Mail.