Bahnhof Stuttgart (Quelle: Wikipedia)

Stuttgart 21 ist aktuell in aller Munde und wird – wie selten zuvor ein Infrastrukturprojekt –  in allen Medien diskutiert, kritisiert und beworben. Das Projekt  ist ein Politikum geworden, zu dem sogar Bundeskanzlerin Merkel Stellung beziehen muss. Karsten Michael Drohsel setzt sich seit längerem mit dem Projekt auseinander und beleuchtet ab heute in einer mehrteiligen Serie die Geschichte des Projektes. Wir freuen uns, diese Serie auf urbanophil.net zu veröffentlichen.

INTRO: Stuttgart 21- Das neue Herz Europas kurz vor dem Infarkt?

Das Bahn-Projekt Stuttgart 21 ist schon lange kein reines Bauprojekt mehr, wie die unzähligen Meldungen, Bilder und zuletzt die Videos von der Räumung des Stadtgartens eindrücklich zeigen. Im Schatten einer nahenden Eskalation der Gewalt scheint es im beschaulichen Stuttgart um deutlich mehr zu gehen, als durch den Umbau des Stuttgarter Kopfbahnhofs in einen Durchgangsbahnhof zwei Minuten Zeit pro Zugabwicklung zu sparen.

Die Einen sprechen von einer historischen Chance, die nach sorgfältiger Prüfung von allem Für und Wider nicht nur zur Entwicklung der Stadt auf den frei werdenden Flächen berechtigt, sondern nahezu verpflichtet – die Anderen bemängeln die Unsinnigkeit des Projekts, das vor allem durch ständige Kostensteigerungen in den nun mehr 16 Jahren Planungsverlauf schon mehrfach, auch politisch, vor dem Aus stand.

Der Protest gegen das Projekt und der Protest gegen den Protest lassen ein „ja, aber…“, so scheint es, nicht zu. Wo die einen mit viel Verve und Fantasie Protestmethoden erfinden und erproben, können sich andere der Rückendeckung aus Bundeskreisen sicher sein. Mehr oder weniger seriös wird auf allen politischen Ebenen ein Thema bearbeitet, das trotz Kolportage bis in die new york times sichtlich zu klein für den Berliner Rahmen ist. Ferner wird die Diskussion täglich mit immer hitzigeren Argumenten vorangetrieben und die eine, entscheidende Frage spaltet die sonst so duldsamen Stuttgarter Bürger: soll man jetzt für oder gegen Stuttgart 21 sein.

Zu Vorderst stellt sich jedoch die berechtigte Frage, was „das neue Herz Europas“ ist, wo und wie es schlägt, um beurteilen zu können, ob ein nahender Infarkt droht. Dazu demnächst der erste Teil der Serie über stuttgart 21: Zurück zur Nüchternheit der Fakten – um was geht es denn eigentlich?

Der Autor:

Karsten Michael Drohsel, angehender Stadt- und Regionalplaner an der TU Berlin ist 1999 von Stuttgart nach Berlin gekommen und betrachtet seitdem die alte Heimatstadt [mit unvermindertem Interesse] von Außen.

Er pendelt regelmäßig zwischen den beiden Städten und verfolgt schon seit geraumer Zeit die Entwicklungen um das Projekt Stuttgart 21. 2008 hat er im Rahmen einer Studie in der Abteilung Mitte des Stadtplanungsamts Stuttgart – Stabsstelle Stuttgart 21 den Bonatzbau und die publikumsrelevanten Gleisanlagen auf ihre Barrierefreiheit untersucht. Der letzte Beitrag zur Diskussion war das künstlerische Projekt „Bagger zu Kinderschaukeln“ das er zusammen mit Brigitte Neufeldt realisiert hat.

Über seine Motivation sagt er: „Auf Grund der Entwicklungen empfinde ich eine Verpflichtung, mich in die Diskussion einzubringen und das, was der Auseinandersetzung in Stuttgart fehlt – Nüchternheit im Hinblick auf die vor und Nachteile des Projekts – durch wertungsfreie Darlegung der Fakten und des Pro und Contra zu ermöglichen. Ich möchte eine Sammlung an Informationen über das Projekt bereitstellen und so ein Zurückkehren zur politischen Auseinandersetzung ermöglichen, die durch die Schaffung von Mehrheiten für oder wider Stuttgart 21 legitimiert ist.“ Parallel zu den Artikeln in diesem Blog werden auf stadtstadtstadt ergänzende Materialien, Kommentare, sowie ein Glossar aktueller Begriffe aus der Diskussion um Stuttgart 21 zu Verfügung gestellt.