Den Wandel in Baden-Württemberg (und damit vielleicht perspektivisch auch im ganzen Land) verdeutlich nicht nur Ministerpräsident Kretzschmann, sondern auch Verkehrsminister Winfried Hermann. Hermann ist einer der wenigen deutschen Politiker, die sich fundiert mit der Vielseitigkeit von Mobilität und somit auch Radverkehr auskennen und diesen nun fördern möchten. Den Anfang macht die erstmalige Ehrung von drei fahrradfreundlichen Städten im Bundesland. Geehrt wurden Offenburg, Freiburg und Karlsruhe.

In einem Artikel über diese Städte wird erläutert, dass es in Offenburg “viele Fahrradabstellplätze, eigene Spuren und längere Grünzeiten für Radfahrer sowie Straßen, in denen Autos deren Vorfahrt achten müssen” gibt. Zudem sollen Spiegel an Ampeln verhindern, dass Auto- und Lkw-Fahrer Radler im „toten Winkel“ nicht sehen. Außerdem wurde für Radfahrer ein “Scherbentelefon” eingerichtet.

In Freiburg, das nach Münster schon lange als zweite deutsche Fahrradstadt gilt, wird seit vielen Jahren das Radwegenetz ausgebaut, z. B. durch neue Radspuren auch an Hauptverkehrsstraßen, für Autos gesperrte Fahrradstraßen sowie aufgeweitete Halteboxen vor Ampeln. Ebenso wie in Offenburg wird mit Spiegeln an Ampeln gearbeitet, eine bislang nicht allzu verbreitete Methode. Gut auch, dass die meisten Einbahnstraßen in Freiburg für Radler in Gegenrichtung geöffnet sind, eine äußerst effektive und einfache Methode, kleinmaschige Netze für Radler zu optimieren. Um Pendler auch für längere Strecken aufs Rad zu bekommen, will man offenbar auch in Freiburg Radschnellwege bauen. Ähnliche Pläne sind in den Niederlanden schon lange umgesetzt, in Deutschland wird nun endlich angefangen darüber nachzudenken, so gibt es auch Pläne im Ruhrgebiet sowie der Metropolregion Hannover.

Karlsruhe ist die süddeutsche Stadt, die sich vor allem in den letzten Jahren konsequent der Förderung des Radverkehrs verschrieben hat. Im Jahr 2005 wurde ein 20-Punkte-Programm zur Förderung des Radverkehrs beschlossen und dieses seitdem umgesetzt. Die Kommune baut ausschließlich dem Autoverkehr gewidmete Straßen nach und nach in Fahrbahnen für Autos und Radler um, zudem wurde Radlern auf einigen Fahrradstraßen Vorrang eingeräumt. Karlsruhe ist außerdem die kleinste deutsche Stadt, in der das Call a Bike-Angebot der Deutschen Bahn verfügbar ist. Die Stadt informiert im Internet mit einem ausführlichen Informationsangebot über den Fortschritt der Maßnahmen.

Die in den jeweiligen Städten durchgeführten Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs sind allesamt auf den ersten Blick nicht sonderlich aufregend, sondern klingen vielmehr selbstverständlich. Das ist es offenbar aber nicht, sonst müsste es solche Auszeichnungen nicht geben. Die Ehrung und das Engagement dieser Städte zeigen uns also drei Dinge:

1. Radverkehrsförderung ist eigentlich ziemlich einfach. Das Wissen ist da, die Best-Practice-Beispiel auch. Man muss einfach nur abgucken. Eine gute Möglichkeit, sich zu informieren oder einfach nur inspirieren zu lassen, ist zum Beispiel das Portal des Nationalen Radverkehrsplans: www.nrvp.de. Wer es lieber international mag, guckt in die Niederlande oder nach Kopenhagen.

2. Radverkehrspolitik ist häufig sogar vergleichsweise günstig und in relativ kurzer Zeit können große Effekte erzielt werden (sowas soll Politiker ja erfreuen). Die Menschen wollen Radfahren, man muss sie nur lassen, ihnen ein wenig Platz geben, die Bedingungen verbessern oder auch kommunikativ einen kleinen Klaps geben. Zahlreiche kostengünstige Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs listet eine Broschüre des österreichischen Verkehrsministeriums auf, äußerst lesenswert:Kosteneffiziente Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs in Gemeinden

3. Radverkehrsförderung hängt hauptsächlich vom politischen Willen ab. Wenn es keinen politischen Willen zur Veränderung gibt, dann werden die Menschen weiter in ihren Autos sitzen bleiben und sich über den Stau ärgern, den sie selbst verursachen. Gibt es die entsprechenden Mehrheiten zum Wandel, dann ist dieser auch möglich, Beispiele dafür gibt es mittlerweile genug.

Die Auszeichnung der fahrradfreundlichen Städte in Baden-Württemberg trägt hoffentlich dazu bei, dass in Zukunft noch mehr Kommunen umdenken. Ein wenig notwendig ist das wohl, denn offenbar hatten sich überhaupt nur die drei ausgezeichneten Städte für den Preis beworben…