This flickering beam of light, in which myriads of dancing dust particles and smoke were following an undecipherable choreography, was the magic wand that drew these moving images in front of our eyes, from where they, irresistibly, burned their way into absorptive and curious minds. (David Kregenow, Last Picture Show)

 

Dem Phänomen des “Kinosterbens” widmet sich der Fotograf David Kregenow in seinem limitierten Band “Last Picture Show. Some Former Movie Theaters”, welcher Anfang des Jahres erschien. Angetrieben von positiven Erinnerungen aus seiner Kindheit und Jugend suchte er erneut die Orte auf, die für viele seiner Generation Stätten des Spaßes und Spannung waren und die Phantasie auf eine vollkommen neue Art anregten. Jedoch blieb die Fülle kleiner Bezirkskinos und größerer Lichtspielhäuser in der Nachkriegszeit des Zweiten Weltkrieges nicht bestehen, durch verschiedene Faktoren mussten viele Kinos schließen und anderen Nutzungen übergeben oder gar abgerissen werden. So dokumentiert Kregenow in seinen Aufnahmen aus dem Dezember 2014, wie die einst mit Licht und Reklame geschmückten Fassaden nun nicht mehr für Filme, sondern vor allem für (Bio-)Supermärkte werben. Dabei fällt auf, wie alltäglich die einstigen Kinobauten nun wirken, wodurch sie sich, außer in der mit Erinnerungen gespickten inneren Stadtkarte ehemaliger Besucher, kaum mehr im Stadtbild abheben. Vor allem die Flachbauten der 1950 und 60er Jahre können sich einem entstehenden lieblosen und vernachlässigten Eindruck kaum verwehren, ist doch die Fassade dem damaligen Zeitgeist entsprechend schmucklos und oft nur durch wenige kleine Fenster durchbrochen. Das Kino zog durch aufwendig gestaltete Plakate und die sich abends voll entfaltende Leuchtschrift Aufmerksamkeit auf sich, wozu die heutigen Nutzungen keinen Gegenpart liefern können. Die heutige Marginalität der ehemaligen Kinos unterstreicht Kregenow in seinen Aufnahmen, wodurch erst bewusst wird, wie viele solcher Kinos es gab und welch großen Teil des Alltags sie einnahmen.

Last Picture Show, David Kregenow, 2015Quelle: David Kregenow

Last Picture Show, 2015 (Mit freundlicher Erlaubnis von David Kregenow)

Die Magie der bewegten Bilder fesselte nicht nur für Kregenow, sondern vermutlich alle Generationen seit der Entstehung des Kinos. In Berlin fand die erste Filmvorführung 1895 im  Berliner Varieté Wintergarten statt, unzählige weitere sollten bald, zunächst auf Jahrmärkten und in Verbindung mit Varietés, später als eigenständige Veranstaltungen folgen. Bereits 1896 öffnete das erste feste und dauerhafte Kino. Dass Kinos vor allem in Arbeiterbezirken in den 1910er Jahren boomten, ist kein Zufall, sorgten doch die Slapstick Stücke mit derben Humor für die Zerstreuung der Arbeiter. In bürgerlichen Kreisen und der Politik waren die Lichtspielhäuser jedoch verpönt. Zudem konnte man damals noch nicht wirklich von Ambiente in den Vorführsälen sprechen, waren die ersten Kinos doch umgebaute Läden (Ladenkinos), die nicht nur klein und mit Holzbänken sehr spärlich eingerichtet waren, sondern sich auch wegen mangelnder Belüftungsmöglichkeiten durch äußerst schlechte Luft auszeichneten. Schnell jedoch wurde erkannt, dass das Bürgertum einen ganz neuen Markt darstellte, den es durch komfortablere Ausstattung und verbesserte Produktionen zu sättigen galt. Der Übergang erfolgte so von Ladenkinos über Geschäftshäuser mit integrierten Kinos bald hin zu eigenständigen Kinobauten.

Quelle: David Kregenow

Splendid Filmbühne, 2014 (Mit freundlicher Erlaubnis von David Kregenow)

Die Splendid-Filmbühne, Kaiserdamm 29/ Meerscheidtstraße, wurde beim Bau in ein Wohnhaus integriert und im Laufe der Jahre sukzessive verkleinert (1929: 600 Plätze bis 1977: 320 Plätze), bis sie 1978 schließlich ganz schloss. Zunächst als Supermarkt weiter genutzt, ist sie heute ein Restaurant.

Damit ist das Splendid ein Symbol dafür, dass in den 1920er Jahren das Kino zum Bedürfnis vieler Berliner und Berlinerinnen geworden war, was sich im Bau zahlreicher größerer Kinosäle auch in den bürgerlichen Bezirken ausdrückte. Ins Kino gehen war so alltäglich, dass in den Arbeiterbezirken sogar Frauen vormittags mit Lockenwicklern und Pantoffeln ins Kino gingen. Die Eröffnung der Splendid-Filmbühne stand jedoch insofern unter einem schlechten Stern, als Ende der 20er Jahre ein Rückgang der Besucherzahlen zu verzeichnen war. Nicht nur durch die sich ankündigende Weltwirtschaftskrise, sondern auch durch einen Mangel an qualitativ hochwertigen und innovativen Produktionen, der zusätzlichen finanziellen Belastung durch die Umstellung auf Tonfilm, und die anhaltende Kritik an den Inhalten waren dafür verantwortlich.

Page07Quelle: David Kregenow

Globus Palast, 2014 (Mit freundlicher Erlaubnis von David Kregenow)

 

Der Globus Palast, Hermannstraße 146, wurde 1949 erbaut, umfasste 750 Plätze und war bis 1968 als Kino aktiv, bevor es als Supermarkt genutzt wurde. Heute ist es eine Bar.

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die Kinowirtschaft einen erneuten Boom, trotz oder gerade weil die Alliierten Einfluss auf Programm und Betreiber nahmen. Der Besitzer des Globus musste sich beispielsweise verpflichten vier zerstörte Wohnungen zusätzlich auszubauen, um die wirtschaftlichen Beschränkungen zu umgehen. Die größten Probleme in der Nachkriegszeit gingen sicherlich von den Kriegsschäden aus, so waren 1947 nur noch die Hälfte der Kinos der Vorkriegszeit in Betrieb (217 Stück), dazu kam die anhaltende Stromknappheit, wodurch in vielen Spielsälen stark improvisiert werden musste. Die Anzahl und Verbreitung internationaler Filme führte trotzdem zu einem Anstieg der Besucherzahlen, wodurch in den 1950er Jahren eine letzte große Bauwelle einsetzte.

 

Quelle: David Kregenow

Tegeler-Lichtspiele, 2014 (Mit freundlicher Erlaubnis von David Kregenow)

Das Tegeler-Lichtspiele (Teli) wurde 1956 erbaut, umfasste 660 Plätze und bestand bis 1971, bevor es als Geschäft genutzt wurde. Heute ist ein Biomarkt im Haus, was die Verdrängung der Discounter, die oft erste Nachnutzer waren, durch Biosupermärkten verdeutlicht.

Mit der Einführung des Fernsehers und dem Ausbau des Programms kommt es in den 1960er Jahren dann zu einer großen Welle des Kinosterbens. Doch auch die mangelnde Innovationskraft in der Produktion, die wachselnde Mobilität der Berliner und Berlinerinnen und das sich differenzierende Freizeitangebot führten zu finanziellen Engpässen vieler Kinos. Die Bezirkskinos litten zusätzlich an weiteren Problemen wie dem Bau der Mauer 1961, wodurch Grenzkinos eine ganze Kundengruppe wegbrach, oder der Aufhebung der Mietpreisbindung für Gewerberäume. Auch das neue Verleihsystem, was eine lange Spieldauer für große Kinos rentabler machte, die zudem die Möglichkeit nutzten Filme nach und nach in kleinere Säle zu verlegen, führte dazu, dass Filme in den Bezirkskinos einfach nicht mehr aktuell und attraktiv waren. Ender der 60er Jahre erfolgte schließlich ein Bruch in der Kinowelt, der neue Kinoformate hervorbringt; die Programm- und Off-Kinos sowie subventionierte kommunale Kinos. Aus dieser Bewegung ging auch die Yorck-Kinogruppe hervor. Sicher nicht alle, aber viele Bezirkskinos erlebten so ein Revival und konnten sich eine Nische schaffen, die ein Fortbestehen sichern konnte.

Derzeit gibt es circa 100 Kinos in Berlin, unter ihnen auch viele kleinere, die vor allem mit spezieller Programmauswahl und charmantem Ambiente überzeugen. Bleibt nur zu hoffen, dass das auch in Zukunft so bleibt.

 

Urbane Themen sind in der Arbeit David Kregenows nicht fremd, 2011 widmete er sich dem Teufelsberg in “Teufelsberg – A Photographic Requiem For The Former NSA Field Station Berlin” und in seiner Serie “Cornutopia” beschäftigt er sich mit zahlreichen Spielhallen Berlins. “Last Picture Show” ist nach “Unter den Linden” der zweite Teil einer Ed Ruscha gewidmeten Reihe, die durch Ruschas Arbeiten “Twentysix Gasoline Stations” oder “Some Los Angeles Apartments” inspiriert wurde.

“Last Picture Show” (46 Seiten), ist für 18€ als eines von 100 limitierten Paperbacks oder für 3,99€ als e-book zu haben. Anfragen über David Kregenow.

 

Quellen:

Kinoarchitektur in Berlin 1895 – 1995, Sylvaine Hänsel (Hrsg.), Berlin, Reimer, 1995

… Film … Stadt … Kino … Berlin …, Uta Berg-Ganschow, Rudolf Arnheim, Berlin, Argon, 1987

Nahaufnahme Neukölln.Kinos, Kameras, Kopiermaschinen ; [… zur Ausstellung Nahaufnahme Neukölln, Kinos, Kameras, Kopiermaschinen im Emil-Fischer-Heimatmuseum Neukölln, 20. Oktober 1989 bis 8. April 1990], Berlin, Argon, 1989