Liebe Spaziergängerinnen und Spaziergänger, werte Flanierende,

es ist wieder so weit! Der Sommer neigt sich zu Ende und der diesjährige dritte Spaziergangswettbewerb ermöglicht es euch eure bisherigen Wegstrecken, ergangene Gedanken und erlaufene Erkenntnisse zu reflektieren, beziehungsweise die Auslobung zum Anlass zu nehmen ganz neue Erfahrungen zu machen. Dieses mal geht es bis zum 15. November 2012 um das SPURENLESEN:

„Die Erzählungen über Orte sind Basteleien, Improvisationen, die aus den Trümmern der Welt gebildet werden“1: Dieses Jahr geht es in Anlehnung an den Text „Gehen in der Stadt“ von Michel de Certeau um das Spurenlesen: Eine Stadt ist ein Konstrukt, das sich aus unendlich vielen eigenen, angeeigneten und fremden Erinnerungs- und Wahrnehmungsfragmenten zusammensetzt. Diese Fragmente hinterlassen Spuren, in der Stadt, aber auch in der/dem Gehenden. Manche entstehen erst durch den Erfahrungsschatz, die Neugier und das Wissen der Person, die den Raum durchschreitet. Mit jeder Person, die den Weg säumt, teilt, quert, reichert sich dieser Erinnerungsschatz ein Stück weiter an; Konstellationen und Geschichten entstehen.

Das eigene Innere verbindet sich in Gedanken mit dem fremden Äußeren und sucht nach Entsprechungen, aus denen sich eine räumliche Identität formt. “Verblüffend dabei ist, daß lebendig wahrgenommene Orte so etwas wie die Gegenwart von Abwesendem sind. Das, was sich zeigt, bezeichnet, was nicht mehr ist: „Sehen Sie, hier gab es …“, aber es ist nicht mehr zu sehen. Die Demonstrativpronomen sprechen die unsichtbaren Identitäten des Sichtbaren aus: der Ort wird gerade dadurch definiert, daß er aus den Reihen dieser Verschiebungen und Wechselwirkungen zwischen den zerstückelten Schichten, aus denen er zusammengesetzt ist, gebildet wird […].“ 2 Ort für Ort reiht sich auf diese Weise aneinander und mit ihnen unzählige Geschichten.

Welche Erinnerung oder Geschichte bringt Euch in Bewegung, welchem Impuls folgt Ihr durch die Stadt und wie lassen sich diese, Eure persönlichen Erinnerungswege nachzeichnen; was ist des Erinnerns würdig und wie soll mit den Erinnerungen umgegangen werden – chiffrieren, konservieren, gedenken, vergessen? „Die Zersplitterung der Erzählungen ist bereits ein Hinweis auf die Zersplitterung des Erinnerungswürdigen. Das Gedächtnis ist in der Tat ein Anti-Museum: es ist nicht lokalisierbar.“ 3

Alle Informationen zur Auslobung und Teilnahme sowie Informationen zu Jury und Stichtag findet ihr unter www.metastadt.wordpress.com

  1. de Certeau, Michel: Die Kunst des Handelns, Merve, Berlin, 1988, S.203.
  2. de Certeau, Michel: Die Kunst des Handelns, Merve, Berlin, 1988, S.205. Siehe auch Döblin, Alfred: Das Gesicht der Stadt – Geleitwort zu Bucovich, Mario von: BERLIN, Albertus, Berlin, 1928.
  3. ebenda: S.205.