//von Gastautor Georg Jahnsen //

Vergrämvorrichtung, Santacruz East / Mumbai, India (Fotograf: Georg Jahnsen)

 

Vergrämung findet in der Architektur bisher meist klassisch physikalisch statt. Es ist ein Krieg, der entweder mit Spitzen und Scharfkantigkeiten ausgefochten wird oder eher defensiv mit Barrieren und Licht. Ein Beispiel aus Mumbai zeigt, dass es noch andere Methoden gibt.

Um den Angriff der Tierwelt auf die gebaute Umwelt zu parieren, stehen dem Architekten allerlei Hilfsmittel zur Verfügung. So gibt es zum Beispiel kaum ein historisches Gebäude dessen Gesimse, Fensterbänke oder Figurenschmuck nicht mit “Taubenvergrämvorrichtungen” geschützt wird. Messerscharfe Drähte überziehen die Fassaden. Eine Armee aus spitzen Eisendrähten wartet darauf die anfliegenden Taubenhintern zu durchbohren.

Doch auch die Bewohner der Stadt vergrämen sich mit professionellen Methoden gegenseitig: Fassaden werden mit speziellen Anstrichen versehen, die Graffitis, Plakate und Aufkleber nicht haften lassen. Mit grellen Scheinwerfern wird Licht in dunkle “Pissecken” gebracht. Und dann sind da noch die Heerscharen von Pollern, Bügeln und Planken, die ebenso agieren.

Eine weitaus subtilere Vergrämvorrichtung findet gerade in Mumbai häufige Anwendung. Dass Mumbai ein Toilettenproblem hat, ist an dieser Stelle bereits beschrieben worden. Weil es kaum öffentliche WC’s gibt, wird quasi jede Mauer dieser Stadt zur potentiellen Spontantoilette. Des weiteren sind wie überall sonst auch die Wände im städtischen Raum wenig vor den Plakatierern gefeit. Ein klarer Fall für eine Vergrämvorrichtung. Nur wie? Die Fassade unter Strom setzen? Licht? Scharfe Spitzen und Kanten? Kameras?

Nichts von dem. Die mumbaiische Methode setzt auf die tiefe Religiösität der Bevölkerung. Mehr und mehr Mauern dieser Stadt werden in Brusthöhe mit Kacheln ausgestattet, die Heiligenbilder und Götter zeigen. Alle zwei Meter findet sich eine andere Kachel: Ganesh hängt neben Jesus, Maria neben Laxmi und Krishna neben Buddha. Es kann der Blasendruck noch so hoch sein; unter den Blicken der Verehrten entleert man sich nicht! Ebenso ist ein Überkleben der verehrten Gottheit undenkbar. Und so wundert es nicht, dass dieses Konzept sehr erfolgreich ist. Zahlreiche unbeschmutzte Wände dieser Stadt beweisen dies (siehe Foto). Die ästhetische Beeinträchtigung der Bauteile ist minimal, wenn nicht sogar als figurativer Schmuck anzusehen. Das Verbot wird überaus würdevoll ausgesprochen: die drohenden Konsequenzen bei Nichtbeachtung variieren je nach eigenem Glauben.

Und auch auf deutsche Innenstädte läßt sich diese Idee übertragen: statt einem lauen “Plakatieren verboten!” könnten z.B. sämtliche Stromkästen mit einer Prägung des Portraits von Rudi Völler oder Friedrich Schiller versehen werden … nur mal so als Vorschlag aus Mumbai in den urbanen Raum Deutschlands geworfen.