Gestern hat die Berliner Senatorin für Stadtentwicklung Ingeborg Junge-Reyer einen Artikel “Der große Entwurf” im Tagesspiegel veröffentlicht, in dem sie die Bedeutung der großen Bauprojekte wie Mediaspree, Heidestraße und Tempelhofer Feld preist. Dabei geht sie auch auf das Bürgerbegehren zu Mediaspree ein:

“Das emotional initiierte Bürgerbegehren im Bezirk war erwartungsgemäß erfolgreich: In Friedrichshain-Kreuzberg gut 30.000 Menschen zu mobilisieren, die gegen etwas sind, was angeblich von „oben“ vorgeben sei, ist relativ einfach und stellt dadurch das Instrument Bürgerbegehren insgesamt infrage. Neuerungen gegenüber skeptisch bis ablehnend zu sein, gehört offenbar auch bei städtebaulichen Fragen zum nahezu reflexartigen Verhalten des Menschen.” (Quelle: tagesspiegel.de)

Wenn man solche Zeilen liest, wundert man sich über Frau Junge Reyer. Denn sie scheint nicht daran interessiert zu sein zu erfahren, warum 30.000 Bewohner sich die Mühe gemacht haben, zu den Wahlurnen zu gehen, sondern unterstellt, dass all diese Menschen reflexhaft zum Wahlamt laufen und einfach mal dagegen sind. Vielleicht sei auch die “emotional initiierte” Kampagne für das Bürgerbegehren schuld, wenn die Leute so abstimmen. Und mit diesem – in ihrem Sinne – falschen Ergebnis wird auch das ganze Instrument Bürgerbegehren in Frage gestellt. Bürgerengagement gerne – aber nur wenn’s passt.

Bei einem Projekt, dessen Werbefilm nicht von Grünflächen, Familienfreundlichkeit oder Kulturprojekten berichtet, sondern nur die Großraumbüros bewirbt, ist es eigentlich nicht verwunderlich, wenn die Bürger sich fragen, was für sie dabei herauskommt. Die Bewohner wurden nicht mit eingezogen, das Projekt wurde schlecht kommuniziert und steht nicht für eine interessenausgewogene Stadtentwicklung.
Somit war die Abstimmung von vielen eher ein Hinweis an die Verantwortlichen, den Johnny Haeusler so gut formuliert hat:

Ich stimme für den Vorschlag der Aktion „Mediaspree Versenken“, um dem Berliner Senat mit meiner Stimme einige dringende Empfehlungen auszusprechen: Die Empfehlung, seine Hausaufgaben zu machen. Die Empfehlung, sich aktiv und auch mit finanziellen Mitteln um eine möglichst heterogene Stadtentwicklung zu kümmern, die nicht allein von Investoren bestimmt wird. Und die Empfehlung, die Investitionsrechnung nie ohne die Bewohner des Bezirks zu machen. (Quelle: spreeblick.de)

Wenn die Verantwortlichen das Projekt bestmöglich vollenden möchten, dann sollten sie diesen Hinweis aufnehmen. Sie sollten die Bewohner mit ihrer Kritik ernst nehmen und deren Ideen und Wissen nutzen. Denn gerade das starke Bürgerengagement in diesen Bezirken, getragen von unterschiedlichen Interessen und einer bewussten Auseinandersetzung mit dem eigenen Lebensumfeld, ist das Potential für eine nachhaltige und ausgewogene Stadtentwicklung. Hier sollten Senatsverwaltung und Bezirke nicht beleidigt reagieren, und einfach weitermachen, sondern die Möglichkeit zur Projektanpassung ergreifen – und zwar im Dialog mit den verschiedenen Interessengruppen.