Aus der Ferne muss man sich schon sehr wundern, wenn man betrachtet, was in Stuttgart gerade los ist. Quer durch alle Instanzen und Institutionen wird das Thema Stadt diskutiert und verhandelt, gerade so, als wäre da was aufzuholen. Ich denke das wird letztlich auch die Motivation des Württembergischen Kunstvereins sein, der sein Programm schon während der Hochzeit des Protest gegen das Projekt Stuttgart 21 ziemlich eindeutig in Richtung der großen Stadt-Fragen ausrichtete und regelmäßig einlud, zu erfahren, diskutieren und streiten. Diese Lust am Verhandeln, diese Freude am Auseinandersetzen, das Agieren, statt Reagieren ist es dann auch, was der Institution eine Relevanz verleiht. Endlich ist was los, endlich ergreift jemand seine Mittel und geht voran.

Sicher die Töne im Städtle sind zwischenzeitlich vom Fortissimo im Mezzopiano angekommen und auch die Diskussion wird mit weit aus weniger Druck geführt. Gutes Timing des Kunstvereins, denn genau jetzt scheint die Richtige Zeit zu sein sich diszipliniert mit der Frage des Unbehagens beim Anblick der Stadt auseinander zu setzen: Wie sind wir denn bis hierhin gekommen und wo ist denn hier? Wo stehen wir und ist dieses Hier eine Basis für die Herausforderungen, denen wir uns nun real stellen müssen? Arbeiten von 20 Künstlerinnen und Künstler versuchen die städtebaulichen, sozialen, politischen und ökonomischen Konfliktlinien der Stadt auszuloten und eine Auseinandersetzung über die Widerstände zwischen Stadtplanung, Architektur, Politik, Ökonomie, StadtbewohnerInnen und StadtnutzerInnen zu führen.

Auf eine ganz andere, unmittelbarere Art tätig zu werden verspricht die Aktion “72 Hours Urban Action”. Die Aktion ist der erste Echtzeit-Architekturwettbewerb, in dem 10 Teams 3 Tage und Nächte Zeit haben ein Projekt zu erfinden und zu realisieren, das auf lokalen Bedürfnissen beruht. Neudeutsch würde man das ganze vielleicht “Hardcore- oder Guerilla-Partizipation” nennen, doch die vorab gelaufenen 72-Hours-Wettbewerbe, vor allem der in Bat Yam belegen, da wo Menschen zusammenkommen passiert etwas, wo Menschen Kommunizieren, wo jeder seine Stärken einbringt und den Fokus auf das legt, was er kann, geht die Rakete durch die Decke. Überzeugt euch selbst:

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Noch werden Ideen zur Bessergestaltung Stuttgarts angenommen, die dann zwischen dem 11. und 14. Juli mit einem kleinen Budget realisiert werden können. Mehr Info bekommt ihr hier, Einreichungen könnt ihr noch bis zum 26. Mai hier tätigen.

Das letzte Projekt das ich euch vorstellen möchte kommt überraschender Weise aus einer Kommunikationsagentur, dazu noch aus einer der Bekanntesten der Republik: Milla und Partner mit Sitz in Stuttgart, die u.a. den Wettbewerb um das Einheitsdenkmal in Berlin gewonnen haben. Johannes Milla hat sich Gedanken über ein Bürgerschloss gemacht und als Bauwerk kein geringeres als das Neue Schloss im Stuttgarter Zentrum ins Auge gefasst.

So verwegen wie das Konzept auf den ersten Blick klingt ist es jedoch garnicht, auch nicht dass sich ausgerechnet eine Kommunikationsagentur Sorgen um das symbolische Herz Baden-Württembergs macht. Partizipation ist Kommunikation, die das Aushandeln von Referenzbereichen und das Verhandeln von Begriffen und Grenzen ebenso beinhaltet, wie das Verteilen der gemeinsamen Güter und das Besetzen von gemeinsamen Räumen. In diesem Zusammenhang hat die Idee viel zu bieten: zum einen transportiert sie das neue Selbstverständnis der Bürger Stuttgarts, wenn nicht Baden-Württembergs, zum anderen nutzt sie die Gunst der politischen Stunde, in der Partizipation nicht nur gefordert, sondern auch gewährt wird.

Besonders charmant finde ich die Idee des Kinderspielplatzes, der eine Reminiszenz an die Stuttgarter “Stunde Null” sein soll, überdenkenswert hingegen das mitgelieferte Demokratiekonzept, das momentan nur Skizzencharakter hat und sich den räumlichen, ergo sichtbaren Fragen deutlich unterordnet. Schade eigentlich, denn, so meine zumindest ich, sollte sich die Form der Funktion unterordnen und nicht die Nutzung den Renderings mit vielen Menschen, die dann am Ende Fraglos in einem Raum stehen, den sie erstmal zu füllen bereit und in der Lage sein müssen.

Also Herr Milla, ab in den Think Tank und wahr machen, was das Konzept versprechen soll. Interessant wäre hier auch eine Antwort auf die Frage, in wie fern sich schon im Prozess Bürger und Bürgerinnen beteiligen können. Ich denke viele Menschen in der aufgewühlten Stadt hätten große Lust darauf.