KölnerErklärung_TMeier

Abb. urbanophil

Aufmerksame Planer werden es schon bemerkt haben: es rumort etwas in der Szene. Anlass ist die „Kölner Erklärung zur Städtebau-Ausbildung“, die von einem Kreis um Prof. Christoph Mäckler im Mai diesen Jahres in Umlauf gegeben wurde. Die Unterzeichner wollen damit auf die, ihrer Meinung nach, vorherrschenden Defizite in deutschen Städten hinweisen, die sie vor allem an der fehlenden Gestaltung des Stadtraums festmachen (u.a. beschrieben durch „Häuser ohne Adresse und ohne anschauliche Straßenfassade“, „Resträume, die weder privat noch öffentlich sind“ und „Autoschneisen in der Innenstadt“).

Deutschland war noch nie so wohlhabend, seine Stadträume aber noch nie so armselig. Die Planungssysteme waren noch nie so ausgefeilt, die Bürger aber erhielten noch nie so wenig städtebauliche Qualität.

Es wird in der Kölner Erklärung aber auch eine Möglichkeit der Verbesserung skizziert, wenn die Ausbildung von Akteuren der Stadtentwicklung wieder auf die „Gestaltung des Stadtraums“ zurückgeführt wird. Dies bedeutet dann, dass Kernkompetenzen in den Feldern städtebauliches Gestalten, Architektur, Stadtbaugeschichte, Lebendige Stadt (Integration von Gesellschafts-, Wirtschafts-, Politik- und Umweltwissenschaften) und Verkehr aufgebaut werden müssen und diese im Sinne eines „umfassenden Städtebaus“ zusammenzuführen. Christoph Mäckler erläutert diesen Ansatz dann Anfang Juni auch noch einmal persönlich in einem Interview im Deutschlandfunk.

Die Reaktionen ließen anschießend nicht auf sich warten: Als erste Replik erschien der Artikel „Gotham City ist überall“ (SZ, 10.06.2014) von Gerhard Matzig, in dem, neben der Darstellung der zentrale Punkte der Erklärung, vor allem herausgestellt wird, dass die Kritik an den Experten zu kurz greift und der Wandel eher in den Köpfen der Stadtbewohner beginnen müsse. Aber auch in der universitären Fachwelt begannen erste Autoren ihren Unmut mit den dargestellten Thesen zu äußern. So fand sich ein Team des Lehrstuhls für Planungstheorie und Stadtentwicklung an der RWTH Aachen zusammen und formulierte eine „Aachener Polemik“, die sich klar von den dargestellten Thesen abgrenzt. Neben der Kritik an der Kölner Erklärung, als „Spaltpilz“ innerhalb der Profession zu wirken und die alten Grabenkämpfe zwischen „Entwerfern und Planern, Gestaltern und Moderatoren“ wieder aufflackern zu lassen, werfen die Autoren den Verfassern vor allem vor, dass sie ein „überhöhtes Bild von den vermeintlich grenzenlosen Möglichkeiten planerisch-gestalterischer Einflussnahme zeichnen“. Sie resümieren, dass Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse heutzutage eben zu komplex sind, um sie mittels umfassender Kompetenz des Städtebauers zu gestalten.

In eine ähnliche Richtung weist auch die aktuelle Äußerung zum Thema, verfasst von einem Bündnis verschiedener Wissenschaftler und Praktiker unter dem Titel 100% Stadt. In einigen Punkten in eine ähnliche Richtung argumentierend wie die Aachener, nehmen die Autoren die Europäische Stadt – ähnlich wie die Kölner Erklärung – als Leitidee, die „Räume eröffnen kann“ und immer „sowohl als auch“ anstatt „entweder-oder“ ist. Diese krankt derzeit aber an fehlendem Engagement der Bürger und an mangelnden Kompetenzen und Handlungsspielräumen von Akteuren der Stadtentwicklung, was in Summe – auch da sind sich Kölner Erklärung und 100% Stadt einig – zu verbesserungsfähiger Gesamtqualität von Städtebau und Stadtentwicklung führt. In der Folge wird aber ein anderer Lösungsweg skizziert. Anhand bestimmter Impulse wie „Zeitgenössische Leitbilder entwickeln!“, „Komplexität zulassen“, „Den Dichtebegriff überprüfen und justieren!“ oder „Die Möglichkeiten für Teilhabe organisieren!“ werden Parameter einer aktuellen Stadtentwicklungspolitik skizziert und Leitlinien für eine Weiterentwicklung der Profession formuliert. Die Weiterentwicklung der Ausbildung bildet bei 100% Stadt dann den abschließenden Rahmen für diese Handlungsfelder, indem gefordert wird, dass vor allem gelernt werden muss mit Unübersichtlichkeit umzugehen, um „mit Demut vor der Sache und selbstbewussten Positionen Orientierung für mögliche Entwicklungen zu geben“. Wie das konkret aussehen kann, wird nicht näher bestimmt, es wird aber noch darauf hingewiesen, dass diese Vielfalt an Aufgaben wohl am besten durch ein Team und nicht durch Einzelne zu leisten ist.

Mit dieser Äußerung ist damit aber noch nicht das Ende der Diskussion erreicht: Die Bauwelt hat aktuelle eine Diskussion mit dem Titel „Kölner Erklärung vs. 100% Stadt“ gestartet, bei der sich die Leser einbringen sollen. Was denken die urbanophilen dazu? Kommentiert bei uns auf Facebook und lasst uns an euren Gedanken teilhaben!