doppeltes_berlin_buchvorstellungQuelle: Stiftung Berliner Mauer

Am Donnerstag lädt die Stiftung Berliner Mauer zur Präsentation des Buches “Stadtentwicklung im Doppelten Berlin. Zeitgenossenschaften und Erinnerungsorte”.

Berlin hat vieles doppelt: Zoos, Opernhäuser, Kongresshallen – Relikte der Teilung der Stadt. Im geteilten Berlin folgte die Stadtentwicklung meist der politischen Logik der Systemkonkurrenz und der gegenseitigen Abgrenzung. Die Handlungsspielräume, die es innerhalb der herrschenden Strukturen gab, wurden von Architekten, Planern und anderen Akteuren unterschiedlich genutzt. Parallel setzten sich internationale Einflüsse und zeitgeschichtliche Strömungen in beiden Teilstädten durch, etwa die Rehabilitierung der Stadtgeschichte und des industriellen Erbes sowie die Nutzung des öffentlichen Raumes als Ort für künstlerische Interventionen. (aus dem Klappentext)

Der umfangreiche Sammelband hat eine gewinnbringende, erfrischend ausgewählte Autorenschaft. Wissenschaftler, Planer, Künstler und Architekten aus Ost und West, die während der Teilung Berlins maßgeblich an Praxis und Diskurs zur Stadtentwicklung in den beiden Teilstädten mitgewirkt haben und Stadtforscher aus der heutigen Generation widmen sich jeweils im Terzett einem ausgesuchten Aspekt der Stadtentwicklung im doppelten Berlin.

 Neue Aspekte durch den Fokus auf die Teilung

Durch ihren Fokus auf die besonderen Umstände und Handlungsspielräume in der geteilten Stadt bringen die Autoren neue Aspekte zur Planung und Entwicklung ans Licht. Da ist beispielsweise das Axel-Springer-Haus an der Mauer in Kreuzberg, gleich neben den Sockelresten des 1973 in Ost-Berlin aufgestellten Denkmals für den hier erschossenen DDR-Grenzsoldaten Reinhold Huhn. Oder der 1983 ausgelobte Wettbewerb um das Prinz-Albrecht-Gelände (heute Topografie des Terrors) in West-Berlin, an dem Ost-Berliner Architekten mit fatalen Folgen teilnahmen.

Da ist die Ackerstraße im Weddinger Brunnenviertel, die durch die Mauer getrennt wurde und deren Teilstücke sich bis heute vollkommen unterschiedlich entwickeln. Oder die Berliner S-Bahn, die auch in West-Berlin von der DDR-Reichsbahn betrieben wurde und damit unbeabsichtigt den Ausbau eines überdimensionierten Autostraßen- und U-Bahnnetzes in West-Berlin mitbeförderte.

Da sind die Redakteure der Zeitschrift “Form + Zweck”, die sich 1983 in einer Ausgabe  gegen den Verfall der historischen Stadtstrukturen in Prenzlauer Berg wandten und damit so mutig und entschlossen gegen Verfall und Abriss kämpften wie die gleichzeitigen Hausbesetzer im Westen der Stadt. Oder der Skulpturenboulevard in der City-West, der zur 750-Jahr-Feier Berlins errichtet wurde und auf ganz andere Art ein Politikum war wie die zeitgleiche Setzung der Denkmäler für Karl Marx, Friedrich Engels und Ernst Thälmann in Ost-Berlin.

Und da sind die beiden Stadtmitten – Zentrum am Alex und City-West, die jeweils als Schaufenster ihrer Teilstadt entstanden sind und deren bauliche und künstlerische Wahrzeichen heute losgelöst von ihrem damaligen geopolitischen Bezug gemeinsam die Berliner Silhouette prägen. Oder die großen Berliner Museen, die sich getrennt weiterentwickelt haben und sich seit der Wiedervereinigung neu zusammenfinden müssen.

Gegenwartsorientierte Retrospektive

In den Texten der Zeitzeugen bleibt das jeweils erlebte und aktiv mitgestaltete Stück Berliner Stadtentwicklungsgeschichte erkennbar, das einen zuweilen tieferen Blick auf die Geschehnisse ermöglicht. Aus dem Zusammenspiel mit den Kommentaren aus der heutigen Generation entstehen gleichzeitig ein retrospektiver Blick auf die Stadtgestaltung im geteilten Berlin und eine gegenwartsorientierte Sicht auf den Umgang mit diesem Erbe.

Die Texte sind reich illustriert mit zum Teil noch nie oder selten gezeigten Fotos, Plänen, Zeichnungen und Skizzen, die insbesondere aus den Privatsammlungen der Autoren stammen und für diese Publikation recherchiert und aufgearbeitet worden sind.

Kurzporträts von Orten der Teilungsgeschichte

Als Zugabe werden im zweiten Teil des Buches Gebäude in Ost- und West-Berlin vorgestellt, deren Errichtung oder Funktion in einem direkten Zusammenhang mit der Teilung standen. Heute sind diese oft unscheinbaren Orte und Bauwerke neuen Nutzungen zugeführt, ihre Bedeutung im doppelten Berlin ist zumeist kaum mehr bekannt.

Wer weiß schon, dass unter anderem im Forum Steglitz und am Halleschen Tor offizielle “Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten” der DDR-Regierung untergebracht waren, die den West-Berlinern Visa für die Einreise in den Ostteil ausstellten? Oder dass in der Hannoverschen Straße in Ost-Berlin in ein und demselben Haus zeitlich nacheinander erst Scharoun den Kollektivplan zum Wiederaufbau Berlins entwarf, danach die Bauakademie der DDR ihren Sitz hatte und schließlich 1973 die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in der DDR eingerichtet wurde?

Buchvorstellung am 27. November 2014

Am 27. November 2014 findet ab 19 Uhr im Besucherzentrum der Stiftung Berliner Mauer eine Vorstellung des Buches statt. Im Programm sind einführende Erläuterungen der Herausgeberinnen sowie ein Zeitzeugengespräch vorgesehen.

Anschließend wird der Film »Kubat-Dreieck« der autofocus Videowerkstatt (1988, Dauer: ca. 50 Min.) gezeigt. Der Film dokumentiert die Besetzung und Räumung des Lenné-Dreiecks (Kubat-Dreiecks) in West-Berlin, das Gegenstand eines groß angelegten Gebietsaustauschs zwischen West- und Ost-Berlin war und für die Besetzer in einer Flucht über die Mauer nach Ost-Berlin endete.

Weitere Informationen

Weitere Informationen zum Buch finden sich auf den Seiten des Ch. Links-Verlag. Das Inhaltsverzeichnis ist bei der Deutschen Nationalbibliothek hinterlegt und die Einladung mit Informationen zur Buchpräsentation kann in dieser pdf nachgelesen werden.

Das Buch geht zurück auf die Vortragsreihe “Teilung und Mauer – Stadtentwicklung im Doppelten Berlin“, die die Stiftung Berliner Mauer in Zusammenarbeit mit der TU Berlin und urbanophil 2011/12 und 2012/13 veranstaltet hat.

Günter Schlusche, Verena Pfeiffer-Kloss, Gabi Dolff-Bonekämper, Axel Klausmeier (Hg.): Stadtentwicklung im doppelten Berlin. Zeitgenossenschaften und Erinnerungsorte. Beiträge zur Geschichte von Mauer und Flucht, Bd. 6, Ch. Links Verlag, Berlin 2014; 334 S., 217 Abb., 39,90 €

P.S.: In diesem Zusammenhang sei noch auf die urbanophile Variante der Buchanpreisung verwiesen. Am 18. Dezember 2014 findet im Café Luftbrücke das jährliche vorweihnachtliche urbanoQUIZ statt, dieses Mal zum Thema “Mauern – doppeltes Berlin – halbe Sachen”. Genaueres stellen wir in den nächsten Tagen online.