Stuttgart 21 – Teil 4: Kooperatives Gutachterverfahren und Alternativkonzept K21 1996/1997

Anfang 1996 wurde das Projekt Stuttgart 21 mit viel Energie vorangetrieben. Nach einer langen Zeit der theoretischen Planung sollten nun Bilder folgen und sichtbar werden wie modern die Landeshauptstadt zukünftig erscheinen möchte.

Um die Grundlage der Planung, einen Städtebaulichen Rahmenplan, zu entwickeln, wurde ein Ideenwettbewerb ausgelobt, der nach ein bislang in der Form noch nicht praktizierten Format ablaufen sollte. Im Rahmen eines Kooperativen Gutachterverfahrens wurden zehn Planungsbüros gebeten ihre Visionen für das neue Stück Innenstadt einzureichen. Die zehn Entwürfe wurden im Anschluss mit allen zehn Büros diskutiert und im Prozess laufend angepasst. Stück für Stück konkretisierten sich auf diese Weise Nutzungen, Form, Dichte und Mischungsverhältnisse, die guten Ideen aller gingen direkt in den Prozess ein.

Ein außergewöhnliches Verfahren, das allerdings die Beseitigung der oberirdischen Bahnkörper und Gleise voraussetzte, was nicht allen Bürgerinnen und Bürgern gefiel. Aus diesem Grund stellte UMKEHR Stuttgart, ein Bündnis einiger Stuttgarter Umwelt- und Naturschutzverbände, eine alternative Planungsidee mit Erhalt des Stuttgarter Hauptbahnhofs als Kopfbahnhof – Kopfbahnhof 21, kurz K21 – vor, die bis heute ständig aktualisiert und fortgeschrieben wird.

Parallel beginnt sich erster konkreter Widerstand gegen das Projekt Stuttgart 21 zu regen: das Aktionsbündnis „Leben in Stuttgart – Kein Stuttgart 21“ beginnt Unterschriften für einen Bürgerantrag zu sammeln, durch den Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in der Stadt Stuttgart zulässig gemacht werden sollten. Der Antrag wurde am 26. September vom Gemeinderat abgelehnt, ebenso wie alle weiteren Anträge ähnlichen Inhalts.

Ungeachtet dieser Bestrebungen beginnt der damalige Bahnchef Heinz Dürr öffentlich darüber nachzudenken, dass in mehreren Städten weitere 21-er-Projekte initiiert werden könnten. München und Frankfurt standen auf der Liste, ebenso so wie Magdeburg, Mannheim und Ulm. Signifikant ist jedoch, dass alle Städte, außer Stuttgart, nach eingehender Prüfung, die Projekte nicht weiter verfolgten.

In dieser Zeit lässt sich in Stuttgart eine Trennung der Interessenslagen beobachten, die im Kern bis heute nicht wieder zusammenfinden konnten. Es wurde deutlich, dass das Miteinander-Reden dem Übereinander-Reden wich und jede (politische) Partei ihr eigenes Projekt vorantrieb. Befördert wurde das vom zur gleichen Zeit beginnenden Wahlkampf um den Posten des Oberbürgermeisters, in dem das Projekt Stuttgart 21 das erste mal aktiv thematisiert wurde.

Am 10. November siegte der Befürworter Dr. Wolfgang Schuster (CDU) gegen seinen Kontrahenten Rezzo Schlauch von den Grünen, die sich seither gegen das Projekt stellten. Dieser Sieg wurde zur damaligen Zeit als ein klares Votum für Stuttgart 21 gesehen, was dann auch schnellstmöglich umgesetzt werden sollte.

Um die Grundlagen zu schaffen wurde am 6. Dezember 1996 das Raumordnungsverfahren beantragt und kaum sechs Wochen später, am 31. Januar der aus dem Kooperativen Gutachterverfahren hervorgegangene und vom Büro Trojan, Trojan und Neu ausformulierte Städtebauliche Rahmenplan vorgestellt.

Im Teil 5 geht es weiter mit der laut werdenden Forderung, die Bürger endlich aktiv in den Planungsprozess einzubeziehen und dem Architektonischen Wettbewerb. Zudem: Der Protest wird sichtbar.