Der Gewinn des Eurovision Song Contest 2011 war mehr als ein musikalischer Erfolg für Aserbaidschan. Das zwischen Russland, Georgien, Armenien und dem Iran gelegene Land ist vielen Europäern gänzlich unbekannt. Mit dem Ende der Sowjet Union hat das Land erstmals selbst von seinem Öl- und Gasreichtum profitiert. Die auf einer Halbinsel am Kaspischen Meer befindliche Hauptstadt Baku (Azeri: Baki) mit seinen ca. 2 Millionen Einwohner kann sich wohl zu einem der größten Profiteure des neuen Ölreichtums zählen. Vor vier Jahren wurde in der Stadt ein umfangreiches Stadterneuerungsprogramm begonnen. Zur gleichen Zeit wurde das Amt des Tourismusministers eingerichtet. Ein Fahrplan für die Renovierung der touristischen Infrastruktur wurde vorgelegt und das Jahr 2011 zum offiziellen Tourismusjahr erklärt. 2011 war somit der erste Meilenstein für das städtische Renovierungsprogramm. Als erstes wurden kulturelle Einrichtungen, wie Theatern und Museen renoviert, danach Plätze und repräsentative Straßenzüge. Das äußerliche Ergebnis ist beeindruckend. Von den grob zu unterteilenden drei Stadtstrukturen Bakus: der Altstadt (seit 2000 UNESCO Weltkulturerbe), dem umliegenden Gründerzeitviertel und dem Sowjetischen Viertel, um die Ölfabriken und den Hafen, wurden insbesondere die ersten beiden großflächig erneuert. Die von einer Stadtmauer umgebene orientalische Altstadt geht übergangslos in das gründerzeitliche Viertel über, das einen unweigerlich an Wien oder Paris erinnert.

Gründerzeitviertel & Nizami Fußgängerzone, Autor

Besonderes Merkmal der Stadt sind die vielen großzügig angelegten Parks und Plätze mit Fontänen. Diese sind stets mit Leben gefüllt und beliebter Treffpunkt der Bewohner. Omnipräsent ist die Mischung aus Orient und Okzident. Die Stadterneuerung der letzten Jahre hat die Schönheit der Stadt geschickt in Szene gesetzt. Wasserspiele und illuminierte Fassaden krönen das renovierte innerstädtische Baku, in dem sich mittlerweile die Elite der Nobelmarken eine Adresse gesichert hat. Höhepunkt der repräsentativen Platzkultur ist der so genannte Bulvard, ein geschichtsträchtiger Park entlang des Kaspischen Meers. Wer ein bisschen weg kommt vom Glamour der großen Straßen oder einen Blick in die Höfe wirft stellt fest, dass der Reichtum die Stadt nicht lange her erreicht hat. Hinter den Kulissen scheint die Zeit stehen geblieben, keine Spur vom Fassadenglanz und den Petrodollars. Die Säulen des aktuellen Stadtumbaus werden sichtbar: Vorrangig werden repräsentative Plätze und Viertel hergerichtet- an den Wohnverhältnissen der meisten Einwohner scheint sich vorerst wenig zu ändern. Wer die Innenstadt verlässt und durch die kleinteiligen Viertel im Westen Bakus streift oder durch das sowjetische Ölviertel im Osten der Bucht lernt ein anderes Baku kennen: Eines in dem Leute gemütlich auf Sandstraße Tee trinken, Stromkabel sich über die Straßen schlingen, Leute zwischen Ölfabriken Schafe halten, aus Ihren Garagen Gemüse verkaufen und es hin und wieder unerträglich nach Gas riecht.

Stadterneuerung mal anders, Sebastian Burger

Straßenszene außerhalb der Alstadt, Autor

 

Ölförderung & Verarbeitung in der Stadt, Autor & vagabondblogger

Baku ist mehr als eine Stadt der Gegensätze, es ist eine Stadt der Welten und Epochen. Das Besondere ist, dass sie sich nicht entgegenstehen, sondern sie an diesem Ort miteinander verschmelzen- Orient und Europa, Mittelalter, Gründerzeit, Sowjetzeit und Zukunft. In der letzteren, der Zukunft, steht der große Wunsch der Stadt endlich bekannter zu werden und die Aufmerksamkeit zu kriegen, die eine Stadt diesen Formats verdient hätte. Mit der Austragung des Eurovision Song Contest 2012 hofft die ganze Stadt endlich mehr Touristen anzuziehen und sich auf der touristischen Landkarte verorten zu können. In der Stadt hängen bereits große Plakate, die den Event ankündigen. Die Bemühungen und insbesondere die Geschwindigkeit des Stadtumbaus werden wohl noch verstärkt werden. Eine Erhöhung der Investitionen in die Stadtentwicklung wurde bereits angekündigt und so wird der Song Contest wohl zum ersten Mal in seiner Geschichte als Stadtentwicklungstool dienen. Wir sehen uns in Baku- wie Nigar Jamal, die aserbaidschanische Sängerin, nach dem erfolgreichen Wettbewerb sagte. Interessierten sei der im Rahmen eines ASA Projekt  entstandene Blog “describing urban changes- Baku in the 21st centrury” empfohlen.

Bakus Innenstadt, Blick über die Bucht & neues Wahrzeichen, Autor