3-formatOriginal

Hotel Bogota, via www.hotel-bogota.de

Überall Veränderungsdruck in Berlin. Vielleicht ist im steten Wandel gerade das von besonderer Attraktivität, was aus der Zeit gefallen zu sein scheint und unwandelbar anmutet – ein Fixpunkt. Nostalgie ist verführerisch, und im Glanz der Vergangenheit kommt leicht Verklärung auf.

Das Hotel Bogota in der Schlüterstraße, fast direkt am Kudamm, war ein Ort, der genau diese Stimmungen evozierte. Inmitten von immer mehr hochpreisig renovierten Wohnungen, vornehmen Büroetagen und teuren Geschäften war es ein Stück Berlin, das sich alle oder doch zumindest mehr Leute leisten konnten als das mit dem sonstigen Ambiente jener Gegend heutzutage der Fall ist. Vor allem hatte es eine Ausstrahlung von Geschichte und Echtheit, die vieles Neue in der Umgebung nicht aufweisen kann, bei aller gestalterischen Qualität der Boutiquen und Hotels. Gebäude und Ausstattung erzählten von allen Zeitschichten, Nutzungen und Nutzern seit Erbauung 1911.

Denn Veränderungen hatte das Haus mehr als genug erlebt: Zunächst als Wohnhaus von reichen (jüdischen) Familien des Großbürgertums bewohnt, nahm es in der vierten und fünften Etage auch Wohnung und Atelier der berühmten deutschen Fotografin YVA auf, die 1942 von den Nazis ermordet wurde. Nach der Enteignung des Hauses 1942 zog die Reichskulturkammer ein, nach dem Krieg kamen die Briten und führten hier die Entnazifizierung auf dem Kultursektor durch. Kultur blieb am Haus haften: Die Gründung der Kammer der Kulturschaffenden und des Kulturbundes der DDR fanden hier statt. Die Hoteltradition schließlich geht auf Etagenpensionen in den Obergeschossen zurück, die schließlich der Vaters des letzten Inhabers in einer Hand vereinte und zum Hotel zusammenschloss. Namengebend wurde die Pension in den Obergeschossen, die deren Gründer Heinz Rewald in den 1960er Jahren nach Bogotá, der Hauptstadt Kolumbiens, benannt hatte, wohin er in den 1930er Jahren vor der Verfolgung in Deutschland geflohen war.

Was war das Hotel unter gestalterischen Gesichtspunkten? Außen noch immer das noble Wohnhaus in Formen des Reformklassizismus um 1910, bewahrte es im Inneren eine Ausstattung, die aus allen Zeitschichten zusammengewachsen war: Gediegene Holzvertäfelungen, Teppiche, Messingprofile, Möbel aller Zeiten und Erhaltungszustände, Lampen für ein Museum der Lichtkultur des 20. Jahrhunderts… man könnte es in dieser Form nicht künstlich zusammenstellen, es konnte sich so nur entwickeln! Eine Fundgrube an Baukultur und Stilgeschichte.

Legendär war das Bogota als Hotel aus alten West-Berliner Zeiten und goldenen Nachkriegstagen am Kudamm. Davon war im Inneren viel bewahrt geblieben – wohl gerade auch, weil es nicht mehr die reich ausgestatteten Räume der Bewohner von 1911 waren, sondern viel Verwinkeltes, Unterteiltes und Improvisiertes. Gewachsen eben. Diese viel längere und tiefere Geschichte des Gebäudes war vielen Gästen, die den historischen Odeur der Räume schätzten, vielleicht gar nicht bewusst.

Alle Freunde des Hauses mussten sich zum Anfang Dezember 2013 vom Bogota verabschieden. Mietschulden waren der triviale Grund für die Schließung. Nun geht das Interieur durch Verkauf und Auktionen seine Wege in alle möglichen Richtungen, so dass die Geschichte des Hauses an vielen Orten erinnerbar sein wird. Das Haus selber wird wohl wieder zu noblen Wohnungen zurückgebaut, im Erdgeschoss plant der Eigentümer Geschäfte. Vieles der jüngeren Zeitschichten wird verlorengehen, neuer Glanz wird kommen, dem ein bisschen die Patina vieler Jahrzehnte wird entfernt. Gewiss werden eines Tages die Innenräume wieder sehr schön sein. Aber sie werden nicht mehr so vielen Menschen offenstehen und vielleicht etwas Herausgeputztes haben, das dem Gebäude lange gefehlt hat – und das auch nicht vermisst wurde.

Zumindest virtuell bleibt das Hotel erhalten, denn die Internetseite des Hotels wird weiterhin gepflegt werden!

Das Hotel ist noch bis zum 13.12.13 geöffnet. Montags bis Freitags von 16 bis 20 Uhr und am Wochenende von 12 bis 20 Uhr kann man sich das Hotel ansehen und  Teile des Interieurs erwerben.

—-

Ungeliebte und problematische Bauten beschäftigen ihn seit langem: Der Autor Martin Bredenbeck hat 2011 in Kunstgeschichte promoviert und sich dafür mit geschlossenen, umgebauten und abgebrochenen Kirchen beschäftigt. Die Profanarchitektur des 20. Jahrhunderts ist ein weiterer Schwerpunkt, zu dem er forscht, Vorträge hält und Führungen anbietet. Er ist Gründungsmitglied der Bonner Kulturgruppen Initiative Beethovenhalle und Werkstatt Baukultur sowie in mehreren anderen Architektur- und Denkmalpflegevereinigungen ehrenamtlich tätig. Mehr zur Werkstatt hier.

4

Hotel Bogota, Photoplatz Kabinett, via Hotel Bogota

14

Ehemaliges Atelier von YVA, via Hotel Bogota

19

Das Treppenhaus, via Hotel Bogota