Der Ruf öffentlicher WC-Anlagen ist nicht der beste. Sie sind geruchsintensiv, nicht selten herunter gekommen und Treffpunkt für „zwielichtige“ Gestalten. Viele Menschen machen einen großen Bogen um sie und betreten die Örtlichkeit nur im Notfall. Dann verlassen sie sie so schnell wie möglich wieder. Kaum jemand erzählt später davon, sie besucht zu haben. Doch die Schmuddelkinder der Großstadt leisten ungeheure Dienste, sorgen für Hygiene und sind aus dem Stadtbild kaum wegzudenken.

Cafe_Achteck_Berlin_Chamissoplatz

Eine WC-Anlage hat eine spektakuläre Karriere hinter sich, erlangte große Beliebtheit in der Bevölkerung, sie gehören zu den Wahrzeichen der Stadt, in der sie stehen und der Volksmund erfand einen Kosenamen für sie. Die Rede ist vom Berliner Typus der öffentlichen Bedürfnisanstalt, dem „Café Achteck“. Die unverwechselbare achteckige Form und der grüne Anstrich ließen die stählernen Häuschen zum untrennbaren Bestandteil des Berliner Stadtlebens werden.

Aufgestellt wurden sie ab 1878. Die Einwohnerzahl der aufstrebenden Stadt explodierte in den „Gründerjahren“ und machte eine breite öffentliche Hygiene notwendig. So entwarf der damalige Stadtbaurat Carl Theodor Rospatt (1831-1901) die WCs, die eigentlich den Modellnamen „Waidmannslust“ trugen. Rund 150 Anlagen wurden errichtet, über das gesamte Stadtgebiet verteilt. Natürlich nagte der Zahn der Zeit an ihnen und der Rost setzte den stählernen Achtecken zu. In den 1990er Jahren wurden sie dann privatisiert (bis dahin von der BSR betreut), 30 Häuschen konnten restauriert werden und stehen heute unter Denkmalschutz.

Hier einige Standorte:

  • Berliner Straße / Eck Schloßstraße in Tegel
  • Chamissoplatz in Kreuzberg
  • Gendarmenmarkt in Mitte
  • Karl-Marx-Straße (Ecke Kirchhofstraße) in Neukölln
  • Leuthener Platz in Schöneberg
  • Pekinger Platz in Wedding
  • Senefelder Platz in Prenzlauer Berg
  • Stephanplatz in Moabit

Beliebt sind sie wie eh und je. Sie gehören vor allem in Kiezen mit historischer Bausubstanz wie dem Chamissoplatz Kiez in Kreuzberg oder dem Stephanskiez in Moabit einfach dazu und werden gerne von Touristen bestaunt. Dabei passen sie kaum mehr in unsere politisch korrekte Zeit. Schließlich sind sie eine reine Männerdomäne. Mit wenigen Ausnahmen (z.B. am Rüdesheimer Platz in Wilmersdorf) können sie nur vom „starken Geschlecht“ genutzt werden und manch Herrenwitz macht hier noch die Runde…

Die Nachfolger, die City-Toiletten passen da schon besser in die Zeit. Von allen zu nutzen, selbst reinigend und äußerlich „clean“, verrichten sie brav ihre Dienste. Die Herzen der Berliner haben sie jedoch nicht erobert, auch die Berliner Schnauze nahm sich ihrer nicht an und verpasste ihnen keinen Spitznamen.

Der Artikel erschien im Original auf Berlintypisch

Über den Autor:

Axel Gödel steht in kritischer Distanz zum zeitgenössischen Berlin und liebt “trotz alledem” seine Heimatstadt. Hier geboren, hat er besonders zu Kreuzberg, den Bezirk wo er ausgewachsen ist, eine besondere Beziehung. Seit Jahren beschäftigt er sich intensiv mit Berlin-Typika und dem Berliner Dialekt. Mittlerweile bündelt er sein Wissen auf seiner Webseite und seinen Blog und liest von Zeit zu Zeit Geschichten aus dem Leben Klaus Klattkes, einem Charakter den er entwickelt und über den er die Sicht eines typischen Berliners auf Arbeitsmarkt, Stadtentwicklung und Globalisierung und deren Auswirkungen auf “die janz unten” reflektiert. Axel wird künftig in loser Folge auf Urbanophil seine Stadtbeobachtungen publizieren.

Mehr Infos, Aufsätze, Rezepte und Geschichten auf: http://berlintypisch.wordpress.com und http://www.berliner-dialekt.de/