Der G8-Gipfel in Heiligendamm und die Protestveranstaltungen neigen sich nach einer Woche dem Ende entgegen, in der sie maßgeblich den Inhalt der Presse bestimmt hatten. Dabei ist leider ein Punkt in den Diskussionen übersehen worden: Das der Ort Heiligendamm selber ein Paradebeispiel für einige der wichtigsten Themen der sogenannten Globalisierungskritiker bildet, wie Privatisierung und ihre Folgen, Macht- und Kontrollverlust öffentlicher Organe und andere. Vielleicht beeinflußte diese Tatsache unbewußt die Entscheidung hier den Gipfel der mächtigsten Regierungschefs abzuhalten.

Aber zur Geschichte: Heiligendamm entstand als eines der schönsten und nobelsten Seebadeorte in den Jahren zwischen 1790 und 1870. Aufgrund seiner vom Meer aus sichtbaren weißen, klassizistischen Gebäude wurde es auch die “weiße Stadt am Meer” genannt. Bis ins 20.Jahrhundert wuchs die Stadt auf ein städtebaulich hochwertiges Ensemble von ungefähr 30 Gebäuden, weswegen nach der Wende die Eintragung des Ortes als Weltkulturerbe diskutiert wurde.

(Quelle: Lageplan nach Bauwelt, Luftansicht 1937)

Genutzt als Lazarett zu Kriegszeiten, litten einige Gebäude unter Umbaumaßnahmen zu DDR-Zeiten. Nach der Wende stellte sich der Stadt Bad Doberan als Eigentümer die Frage nach der Zukunft des renovierungsbedürftigen Badeortes. 1996 entschied man sich schließlich für den Verkauf an das Immobilienunternehmen Fundus-Gruppe aus Westdeutschland für einen Spottpreis von 15 – 18 Mio. D-Mark. In einem Grundlagenvertrag erklärte sich der Investor bereit “dass das Seeheilbad in seiner einzigartigen Ensemblewirkung, für die Öffentlichkeit erlebbar bleibt”.

Der Plan der Findus-Gruppe indes war es, Heiligendamm in ein Ressort der gehobenen Klasse mit vielfältigen Wellnessfunktionen und Kliniken zu verwandeln. Jetzt unterlag der Ort nicht mehr den Interessen des Gemeinwohls sondern denen der Privatwirtschaft. Für nicht rentable Gebäude wurde eine Abrißerlaubnis beantragt oder verfallen zunehmend, neue kritisch zu betrachtende Gebäude werden hinzugesetzt und zu guter letzt wurde der Ort durch einen Zaum (!) für die Öffentlichkeit gesperrt, um die Kurgäste nicht zu stören.

(Quelle: Geschlossenes Gebiet, Master-plan des Ressorts laut Architekturbüro Stern)

Mitlerweile bildete sich eine Bürgerbewegung “Pro Heiligendamm” gegen den investorenfreundlichen Kurs der Stadt trotz negativer Erfahrungen. Dabei muss sie aber feststellen, wie schwierig es ist den eingeschlagenen Kurs zu ändern.

(Eine denkmalgschützte Villa wurde bereits abgerissen)

Verwunderlich an der Geschichte ist auch, warum die Gegendemonstranten und Kunstaktionen diese Tatsache nicht in ihren Protest aufgegriffen haben oder die Bürgerinitiative sich dort nicht präsentiert hat. Eine solche Öffentlichkeit ist nur schwer wieder zu erlangen. Hätten die Demonstranten tatsächlich den ersten Zaun überwunden, hätten sie sich wahrscheinlich gewundert dahinter auf einen zweiten zu stoßen.

Die ausführliche Geschichte ist bei der Bauwelt S.8-11, Wikipedia und Zeit-am-Meer zu lesen)