Ein Gastbeitrag von Patrick Weber
Die doch recht kleine Stadt Nürnberg hat eine überraschend großartige U-Bahn. Die ersten Strecken gingen 1972 in Betrieb, die letzten Stationen wurden 2011 eröffnet. Erstaunlich ist die durchweg hohe gestalterische Qualität der 46 U-Bahnhöfe, deren Architektur zwar selten bahnbrechend neu war, dafür aber die zeitgenössische State of the Art im U-Bahnbau auf höchstem Niveau umsetzt. So kann man in Nürnberg nachkriegsmoderne U-Bahnarchitektur kompakt durchfahren und dies obendrein mit einer führerlosen U-Bahn. Unser Gastautor Patrick Weber gibt einen Überblick.
Langwasser Süd 1972
Die ersten Bahnhöfe der Nürnberger U-Bahn sind sachlich funktional gestaltet. Die Decken sind über dem Bahnsteig mit weißen Paneelen verkleidet. Wiederkehrende Gestaltungsmerkmale sind ein farbiges Band an der Wand hinter den Gleisen, sowie ein durchgehendes Lichtband an der Decke.
Hauptbahnhof (U1) 1978
Der Hauptbahnhof ist als intermodaler Verkehrsknotenpunkt geplant worden. Er ist in für die Zeit typischen Farben orange und gelbgrün gehalten. Die futuristisch anmutenden Lampen erinnern an die, wenige Jahre zuvor in Berlin eröffneten Bahnhöfe Nauener Platz oder Rathaus Steglitz. Der Fliesenspiegel hinter den Gleisen stellt Pfeile in Fahrtrichtung dar.
Weißer Turm und Lorenzkirche 1978
Gleichzeitig eröffneten in der historisierend wieder errichteten Altstadt die Bahnhöfe Weißer Turm und Lorenzkirche. Mit der gußeisernen Nachbildung der Rosette der Lorenzkirche im gleichnamigen U-Bahnhof gehörte Nürnberg zur Avantgarde, denn es war damals durchaus noch nicht in allen U-Bahnstädten üblich, die Architektur und Eigenart der Umgebung zum Ausgangspunkt für die U-Bahnarchitektur zu nehmen. Bemerkenswert ist hier auch das ballsaalartige Zwischengeschoss mit dem direkten Zugang zum gleichzeitig errichteten postmodernen Karstadtkaufhaus.
Hauptbahnhof (U2) 1988
Zehn Jahre später wurde die zweite U-Bahnlinie am Hauptbahnhof eröffnet. Der Bahnhof der U2 ist sehr viel höher und offen zum Verteilergeschoss. Auch hier wurden orange Pfeile an den Gleisrückwänden verwendet. Diese sind jedoch breiter als 1978 und zusätzlich mit einem kontrastierenden Band durchzogen. Die unverkleideten Decken lassen den Blick auf das Baumaterial Beton zu. Die Säulen des Bahnhofes sind nicht mehr gefliest, sondern mit Aluminium verkleidet, wie es bereits in den 1970er Jahren in den Berliner U-Bahnhöfen umgesetzt wurde.
Wöhrder Wiese 1990
Mit dem Bahnhof Wöhrder Wiese begann man den Kontext des Bahnhofs aufzugreifen. Entsprechend der Lage nahe einer ausgedehnten Grünfläche entlang der Pegnitz, sind die Bahnhofswände mit blauen und grünen Formen gefliest, die an Bäume und das Wasser erinnern sollen. Grundmaterial der Wände und Decken ist aber sichtbarer Spritzbeton. Zudem setzte man für bessere Beleuchtung Oberlichter ein. Für die Statik der Decken sind keine Säulen notwendig. Die einzigen Installationen auf dem Bahnsteig sind Treppen und Möbel, es gibt keine Zugabfertigerhäuser.
Rennweg 1993
Der Bahnhof Rennweg wurde, für 1993 auch ungewöhnlich früh, von Nürnberger Graffitikünstlern poppig gestaltet. Durch die nur jeweils am Ende befindlichen Treppenaufgänge und die vielen Oberlichter wirkt der Bahnhof trotz seiner niedrigeren Decke besonders geräumig.
Ziegelstein 1999
Dieser Bahnhof steht exemplarisch für die sachliche Glas- und Metallarchitektur der 1990er Jahre. Auch hier ist viel Sichtbeton vorhanden. Die Lichtbänder und Oberlichter sind nach wie vor Bestandteil der Planungen. An jeweils der Hälfte der Rückwände sind Glasplatten mit dem Stationsnamen angebracht. Ein rotes Band beginnend am Stationseingang wirkt als farblicher Akzent soll die Fahrgäste in den Bahnhof leiten und stellt durch ein Lauflicht einfahrende Züge dar.
Friedrich-Ebert-Platz 2011
Die neueren Bahnhöfe sind wieder weniger sachlich gestaltet und wirken wärmer. Beim Bahnhof Friedrich-Ebert-Platz kommt am Boden und den Decken die Farbe orange flächig zum Einsatz und symbolisiert damit die Funktion als Umsteigebahnhof. Die Wände hinter den Gleisen sind von Peter Kampehl gestaltet. Sein „bewegtes Netzwerk“ lockert die sonst minimalistische Einrichtung auf.