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Potemkinsches Dorf

Als die russische Zarin Katharina II 1787 ihre neu eroberten Gebiete auf der Krim besichtigte, ließ der damalige Gouverneur Grigori Potjomkin in den Dörfern Kulissen aufstellen, die ihren schlechten Zustand übermalen sollten. Den umgekehrten Weg gehen die aus dem Street-Art kommenden Künstler fauxreel und Specter in ihrem "City renewal project" in Toronto. Die detailgenauen Herstellungen von Fassaden sind Rekonstruktionen von geschlossenen Läden der Umgebung. Sie verschwanden im Zuge der Gentrifizierung von Stadtteilen und sollen als zweidimensionale Wiederauferstehung an den Verlust dieses Wandels erinnern. Zwangsläufig befinden sich die Rekonstruktionen bis auf die Eingangsfront im inneren einer Werkhalle. Auch ohne das Projekt...

Überlegungen zu Stadtkatastrophen und ihrer Rekonstruktion

Im Frühjahr 2002 stellte sich eine Konferenz am Massachusetts Institute of Technology in den USA dem Thema Katastrophe und Stadt ("Resilient City. How modern cities recover from disaster"). Sie sollte sowohl wissenschaftlich als auch therapeutisch den Terroranschlägen in New York gegenüber verstanden werden. Welche wirtschaftliche, kulturelle und politische Kräfte ermöglichen eine neue Ordnung selbst nach verheerenden Katastrophen und welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich im post-traumatischen Urbanismus finden, waren zwei Kernfragen zu untersuchten Städtebeispielen von natürlichen wie menschengemachten Katastrophen. (Die einzelnen Fachvorlesungen können immer noch als Videostream angeschaut werden) Erscheint dies zuerst wie ein Nischenthema, erstaunt, dass lediglich 32 Siedlungen...

Schloss wird zum Einkaufspalast – die Stadt Braunschweig zahlt 13,5 Mio. dazu

Vor genau einer Woche wurde „eines der größten und spektakulärsten Wiederaufbauprojekte in Europa“ (so der Entwickler ECE) fertig gestellt: die ehemalige Braunschweiger Residenz wurde als „Schloss-Arkaden“ eröffnet - ein Schloss mit einer integrierten Shoppingmall von fast 34.000 qm Verkaufsfläche. Entwickler dieses 200 Mio. Euro Projektes war der Center Entwickler ECE. Das Schloss, 1840 erbaut von C.T. Ottmer und in den 60er Jahren wegen Kriegsschäden abgerissen, ist zu den „Schloss-Arkaden“ mutiert. Arkaden gibt es im gesamten Bauwerk nicht, hinter dem Rundbogenportal bekommt man eine Multifunktionsdecke zu sehen, in Verbindung mit viel Glas, viel Granit und Rolltreppen. Nach Aussage der Jury war...

Podcast zur Braunschweiger Schlossfassadenrekonstruktion

"Und dann kommt man durch die Toreinfahrt und steht in einer ganz vulgären Shoppingmall. (...) Das ist die große Enttäuschung bei dieser Art Fassadenkonstruktion. (...) Und das Fatale ist, dass das Schloss auch eine Rückseite hat. Und die Architektur von Grazioli und Muthesius, zwei Berliner Architekten, für den Neubau ist schlechtweg ein Skandal zu nennen. Die Glaskiste von ihrer Rückseite ist vollkommen anti-urban, da will kein Mensch entlanglaufen, da gibt es auch keine Öffnung, und das finde ich richtig ärgerlich. Dass man so eine schöne Vorderfront hat, die Spaß macht, und dann so eine indiskutable Rückseite." (Architekturkritiker N. Bernau im...

Virtuelle Rekonstruktion Berlins?

Gerade eben habe ich noch vor lauter Freude über das neue 3D-Stadtmodell in Google Earth berichtet, nun machen sich die ersten Zweifel breit. Denn bei genauerer Betrachtung werden so manche moderneren Gebäude mit historisierenden Fassaden gemappt. So z.B. das Alexanderhaus (das Haus neben der Weltzeituhr) am Alexanderplatz (zur Orientierung das Haus des Lehrers im Hintergrund, welches korrekt dargestellt wurde). Bild: Alexanderhaus in Google Earth Stecken am Ende Stimmann und Konsorten dahinter? Kommt die vollkommene Rekonstruktion nun virtuell - im hochtechnischen Gewand von Google Earth? Haben die alten Hasen, die schon den Palast der Republik und das Ahornblatt haben abreissen lassen...