Abb. transcript-Verlag

Das Buch „Wer entwickelt die Stadt?“ basiert auf einer Tagung des Fachgebiets Stadterneuerung/Stadtumbau der Universität Kassel und des Arbeitskreises Planungsgeschichte in der Gesellschaft für Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung (GSU) am 7. und 8. Dezember 2007 in Kassel. Anhand exemplarischer Beträge wird erkundet, welche Formen von Governance in Phasen gesellschaftlicher Umbrüche beobachtet werden können und wie sich dies vor der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts darstellt. Ziel der Publikation ist es, dadurch Vorläufer und Kontinuitäten in der Stadtproduktion herauszuarbeiten und mit der „Governance-Brille“ sichtbar zu machen. Hierfür bedient sich die Publikation politikwissenschaftlicher Konzepte und geschichtswissenschaftlicher Methoden und stellt die Beträge in den Kontext der drei Sphären Staat-Markt-Zivilgesellschaft. Innerhalb dessen verdeutlichen unterschiedliche Autoren einzelne stadträumliche Entwicklungen zwischen dem 16. und 21. Jahrhundert, wobei der Schwerpunkt eindeutig im Zeitraum zwischen 19. und der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu verorten ist. Die Beiträge sind dabei vielfältig und detailliert und geben jeweils einen punktuellen Einblick in veränderte Governance-Zusammenhänge einer bestimmten Epoche. So beschreibt Gerhard Fehl beispielsweise die Anlage Neu-Hanaus durch flämisch-wallonische Calvinisten in den Jahren 1596 bis 1602 im Rahmen eines sich wandelnden Staatsverständnisses, Celina Kress bezieht sich auf Georg Haberland und Adolf  Sommerfeld als unternehmerische Akteure der Stadtgestaltung des frühen 20. Jahrhunderts und Ingrid Lübke beschreibt die zivilgesellschaftliche Einbindung der Rotterdamer Projektgruppen in die Planung der 1970er Jahre. Die weiteren Beiträge fügen sich in ähnlicher Weise in den Betrachtungsrahmen Staat-Markt-Zivilgesellschaft ein und stellen ebenfalls eine historische Situation lokaler Governance dar.

Den Fallstudien vorangestellt ist eine planungstheoretische Einordnung des Governance-Konzepts durch Klaus Selle, in der er verschiedene Zugänge skizziert. Es wird herausgearbeitet, dass es sinnvoll ist, verschiedene Bedeutungen (analytische Perspektive, Trendhypothese und Norm) und Anwendungsfelder (Handlungsebenen-, Organisations-, Handlungsfeldbezug) von Governance zugrunde zu legen, wenn man mit diesem Konzept arbeitet. Im Fazit der Publikation wird diese Systematik aufgegriffen, indem von Uwe Altrock und Grischa Bertram festgestellt wird, dass es für eine historische Betrachtung innerhalb dieser Klassifizierung am sinnvollsten sei, Governance als Analysebegriff zu verwenden, um „einen jeweils eigenen Governance-Modus zu bestimmen […] und innerhalb des historischen Kontexts zu analysieren“. Hier kann die vor allem die Geschichtswissenschaft einen wertvollen Beitrag leisten, füllt sie doch die methodische Lücke bei zurückliegenden und schwer verfügbaren Quellen.

Der Anspruch an die Frage „Wer entwickelt die Stadt?“ kann vor diesem Hintergrund bislang nur teilweise eingelöst werden. So stellen die Herausgeber fest, dass mit der Publikation lediglich „erste tastende Schritte“ in Richtung einer Verschränkung von lokaler Politikforschung, Urbanisierungsforschung und Planungswissenschaft gegangen worden sind. Die Beispiele geben sicherlich einen ersten Einblick für die gewünscht Fragestellung, können durch ihre Zahl und Tiefe aber nur erste Anhaltspunkte liefern. Es wird, so schreiben Altrock und Bertram, in den Beiträgen als Hypothese deutlich, dass die enge Kooperation von Staat und Unternehmen vor allem im Kontext eines Strukturwandels von Bedeutung ist, für die Zivilgesellschaft aber noch weiter zu analysieren ist, in welcher Form Einfluss auf die Stadtentwicklung genommen wird. Zudem, so beide weiter, wird deutlich, dass Stadtpolitik und Verfügbarkeit über Grund und Boden keineswegs als konstant angesehen werden können und Akteurskonzepte selbst Ziel einer empirischen Analyse sein müssen, wenn sie Teil einer Governance-Analyse werden.

Für an Planung interessierte Leser stellt diese Erkenntnis einen spannenden Aspekt im Nachdenken über Stadtentwicklungszusammenhänge dar, der vor allem im Wechselspiel mit konkreten lokalen Situationen zu voller Blüte kommt. Es bleibt abzuwarten, ob und mit welcher Ausrichtung an die aufgeworfenen Fragestellungen zukünftig angeknüpft wird.