Abb. transcript-Verlag

In der heutigen Stadtplanung spielen heilige Orte nur eine untergeordnete Rolle und wirken maximal am Rande noch als (gesamt-)gesellschaftliche Räume des Transzendenten. Nichtsdestotrotz bleiben sie für bestimmte Gemeinschaften in ihrer Bedeutung bestehen und werden durch Nutzung und symbolische Zuschreibung zusätzlich in ihrer Funktion gefestigt. Dies gilt in unterschiedlicher Weise sicherlich für viele religiöse und lokale Zusammenhänge weltweit. Wie sich dies im Falle der muslimischen Glaubensgruppen darstellt und inwiefern dadurch neue Zugänge oder sogar neue Orte an sich herausbilden, wird in der Publikation „Prayer in the City – The Making of Muslim Sacred Places and Urban Life“ von Patrick A. Desplat und Dorothea E. Schulz dargestellt.

Anhand von internationalen Fallstudien erkunden verschiedene Autoren das Zusammenspiel von Religionsausübung und Lokalität und versuchen einem Konzept der Heiligkeit urbaner Orte nachzuspüren. Den einzelnen Beiträgen vorangestellt ist deshalb auch eine generelle Einordnung des Themas mithilfe derer  die Begriffe geschärft werden sollen. Für Stadtplaner ergeben sich in diesem Rahmen einige Ansatzpunkt, nimmt Patrick A. Desplat doch auf bekannte Begriffe wie space und place sowie Theoretiker wie Henri Lefebvre und Doreen Massey Bezug. Zusammenfassend wird in der Einleitung folgender Zugang festgemacht:

„The variety of socio-cultural contexts and the variety of approaches […] reflect the ambiguities of religious, social, political and economic meanings ascribed to places of ‘sacred’ significance within diverse Muslim communities. Paying attention to making places as constructed (materiality), imagined (cognition) and lived (everyday life) allows us to shed light on the common ground and differences of Muslim societies and cultures.”

Die einzelnen Beiträge beziehen sich dann daran anknüpfend also auf ein weites Spektrum an möglichen Ausgestaltungen dieses Spannungsfeldes und werden anhand der drei Übertitel Un-/Making Places, Contested Meanings and Places und Everyday Prayer and Urban Topography strukturiert. Die Beiträge reichen dabei von der Darstellung islamischer Feste als Orte des Konflikts aber auch des Dialogs am Beispiel von Dar es Salaam (Katharina Zöllner) bis hin zur Darstellung der religiösen Soundscapes in Mali (Dorothea E. Schulz).

Im Lesen und Nachdenken über die geschilderten Erlebnisse und Forschungsergebnisse ist festzustellen, dass sich die Beiträge zwar fast ausnahmslos auf außereuropäische Orte beziehen, aber vielfach individuelle Rückschlüsse auf eigene Situationen und Erfahrungen im Kontakt mit Religionsgemeinschaften erlauben. Die Stärke des Buches ist es, dass es einen Reflexionsprozess zu öffentlichem Handeln religiöser Gruppen einleitet und in der Vielfalt individuelle Zugänge eröffnet. Leider gilt diese Aussage aber nicht für alle Beiträge, fallen doch einige Abschnitte unter das sonstige gute Niveau der Gesamtpublikation zurück. Sehr schade ist auch, dass die Herausgeber am Ende keinen Ausblick oder eine Zusammenfassung eingefügt haben, um die in der Einleitung skizzierten Gesamtzusammenhänge noch einmal aufzunehmen.

So bleibt am Ende festzustellen, dass das Buch in vielen Abschnitten vor allem für diejenigen Stadtplaner und Architekten  von Interesse ist, die sich für das Zusammenspiel von Religion und Stadt(gesellschaft) interessieren und sich auch auf neue und ungewohnte Eindrücke und Zugänge einlassen möchten.

 

Patrick A. Desplat, Dorothea E. Schulz (eds.):
Prayer in the City – The Making of Muslim Sacred Places and Urban Life
Mai 2012, 314 S., kart., zahlr. Abb., 34,80 €
ISBN 978-3-8376-1945-4
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