Das_Publikum

Abb. Anna Ditges Köln 2014

Wem gehört die Stadt?
Dokumentation über den Kampf um das Kölner Helios-Gelände

Gehört die Stadt den Beamten, die sie verwalten? Den Bauherren, die sie kaufen? Oder den Menschen, die sie bewohnen? Diesen Fragen geht die Kölner Filmemacherin Anna Ditges in „Wem gehört die Stadt – Bürger in Bewegung“ auf den Grund.

Die bewegende 90-minütige Dokumentation, die am 19. Februar in den Kinos startete, zeichnet den Kampf um das Kölner Helios-Gelände nach, einem ehemaligen Industrieareal im Stadtteil Ehrenfeld, dessen alte Werkshallen bisher vorwiegend als Clubs, Ateliers, und Werkshallen genutzt wurden. Bis Investoren und Stadtplaner im Jahr 2009 das knapp vier Hektar große Filetstück am Rande der Innenstadt für sich entdecken und den Bau einer Shopping-Mall planen. Nutzer und Anwohner des Geländes mobilisieren, eine Bürgerinitiative nimmt den Kampf gegen die Vermarktung ihres Freiraums auf und entwirft alternative Nutzungsszenarien.

Wortwalzen der Veedel-Bewohner
Ditges, die über eine Zeitraum von zwei Jahren beachtliche 180 Stunden an Filmmaterial gesammelt hat, ist nah dran an den Sorgen und Nöten ihrer Protagonisten, auch das moderierte Bürgerbeteiligungsverfahren bekommt ausreichend Raum. Hin- und wieder driftet die Dokumentation dennoch in das Reproduzieren platter Klischees ab. Etwa, wenn die Investoren zum Golfen begleitet werden, während sich die engagierten Köpfe der Bürgerinitiative in ihrem wohlig-alternativen Zuhause den Topfpflanzen widmen. Oder der Bezirksbürgermeister in seinem Amtszimmer sekundenlang an einer Zigarette pafft und dabei frontal und süffisant in die Kamera lächelt. Dabei bräuchte es derlei Inszenierungen nicht – zu entlarvend wirken starke Szenen wie die, in der der Bezirksbürgermeister die Wortwalzen aufgebrachter Veedel-Bewohner lediglich mit dem Verweis auf das Baugesetzbuch (Paragraph 3: „Beteiligung der Öffentlichkeit“) stoppen will.

Inkusive Universitätsschule als Lösung?
Den Kampf um das Gelände gewinnen letztlich die Bürger – inzwischen wurde entschieden, eine Inklusive Universitätsschule statt eines Einkaufszentrums zu bauen. Oder doch nicht? Verschärft diese Lösung nicht erst recht die fortschreitende Gentrifizierung des Viertels? Diskussionsansätze für Fachplaner und Publikum bietet die Dokumentation viele.

Berührend sind besonders die Szenen, in denen eine Schreinermeisterin mit kleiner Werkstatt auf dem Helios-Gelände ihren täglichen Kampf mit dem Existenzminimum schildert und beklagt, dass ihre Idee von Werkshöfen für Handwerker innerhalb der Bürgerinitiative kaum Gehör gefunden hat. Es zeigt sich, dass das große Dilemma von Beteiligungsverfahren auch in Köln nicht gelöst werden konnte: Der Kreis der engagierten Bürger erscheint durchweg homogen. Migranten oder finanziell schwächer gestellte Bewohner Ehrenfelds artikulieren ihre Interessen nur selten oder finden kaum Gehör. So schallt es in einer Filmszene dann auch passgenau vom Podium, dass die hier Anwesenden doch selbst Teil des Gentrifizierungsproblems seien.

Fehlende räumliche Einordnung
Bei der Premiere im Ehrenfelder Cinenova betonte das Filmteam, Anfragen von Bürgerinitiativen aus ganz Deutschland erhalten zu haben. Erklärtes Ziel ist es, „Wem gehört die Stadt“ landesweit auf die Leinwand zu bringen. Diese Absichtserklärung verdeutlicht das größte Manko des Films: Es wurde konsequent auf Untertitel verzichtet. Während Kölner Lokalpatrioten die Gesichter des Bezirksbürgermeisters oder des Investors zuordnen können, dürfte es Auswärtigen wesentlich schwerer fallen, dem Geschehen zu folgen. Auch eine sozialräumliche Verortung Ehrenfelds für Ortsunkundige fehlt, genauso wie eine zeitliche Einordnung der Geschehnisse. Wenn der Film Vorbild und Anregung für andere Bürgerinitiativen sein möchte, empfiehlt sich eine kurze Analyse der wichtigsten Akteure im Vorfeld.

Von Sonja Broy und Tobias Meier

Anmerkung: Der Film läuft seit dem 19. Februar deutschlandweit in den Kinos. Eine Übersicht findet sich auf der Website des Films.