Zehn Jahre ist es nun schon her, dass Willi Dorner erstmals unter dem Titel „bodies“ Installationen und Performances konzipierte, in denen er die Dimensionen von Wohnungen und Wohnräumen in Bezug zu menschlichen Körpern setzte.

Was er seinerzeit im Rahmen der Recherchephase in der Wiener Wohnanlage „Hängende Gärten“ begann, ist mittlerweile ein sehr erfolgreiches Projekt, das in den Außenraum von Städten rund um den Globus expandiert ist.

Abb.: Cover "Bodies in Urban Spaces" Willi Dorner, Hatje Cantz Verlag

Abb.: Cover “Bodies in Urban Spaces” Willi Dorner, Hatje Cantz Verlag

Auf sympathische Art kann Willi Dorner den Erfolg selbst kaum fassen, denn zum einen scheiterte das Projekt am Anfang beinahe: Beim ersten Anlauf fehlte es an ausreichend Darsteller und Darstellerinnen, um die ursprüngliche Choreographie zu realisieren, beim zweiten Anlauf fehlte es an geduldigem Publikum, das unter einer choreographierten Körperperformance schlicht etwas anderes erwartet hatte als für Minuten erstarrte menschliche Skulpturen im urbanen Raum. Es sah sogar so schlecht für eine Fortsetzung aus, dass, so meine ich herauszulesen, selbst Dorner nicht mehr so recht an eine Weiterentwicklung glauben wollte. Wenn da nicht eine wohlwollende Seele dem Projekt einen Rahmen gegeben hätte, der wie ein Katalysator wirkte und letztlich dazu führte, dass „bodies“ by accident nicht nur das erfolgreichste Projekt Dorners, sondern auch Ausgangspunkt für viele neue Fragestellungen und weitere Projekte wurde.

Der kürzlich im renomierten Kunstbuchverlag Hatje Cantz erschienene Bildband „Bodies in Urban Spaces“ zollt nun dem langen und wechselhaften Zeitraum, in dem das gleichnamige Projekt reifen, sich weiterentwickeln und transformieren konnte, Tribut. Die Texte von Dorner sind allesamt sehr persönlich, sehr nah dran an der Produktion und neben interessanten Informationen, die chronologisch abgearbeitet werden, immer auch ein Blick in das Nähkästchen Dorners. Das ist aber keineswegs trivial gemeint, die Aussage macht nur meiner Verwunderung Platz, wie sehr persönlich die Einblicke in die Projekt- und Körperarbeit dargestellt werden. Dies lässt m.E. die Vermutung zu, dass es sich per se um etwas sehr individuelles, sehr persönliches Handelt, das Dorner mit seiner Arbeit antastet: die Ausmaße des Raums, der unsere Körper umgibt und dessen Anmutung, Beschaffenheit, Performativität.

Durch die Arbeiten, v.a. denen in heiklen räumlichen Gefügen wie z.B. der Wall Street in New York, wird allerdings auch deutlich sichtbar, wie sich Machtgefüge in den öffentlichen Raum eingewebt haben, ihn bisweilen dominieren. Hier werden Körper zum Störfaktor, zum stillen Protest und gleichzeitig zum subversiven Element. Die Anwesenheit der DarstellerInnen provoziert Unbehagen und das obwohl sie zu großen Teilen die gleichen Patterns darstellen, wie an anderen Orten auch. Hier zeigt sich m.E. die Stärke der Urban Bodies, die an diesen Orten weit über das ästhetische Moment hinausgehen, das sie z.B. in der Aufführung in Berlin haben.

Dorner möchte durch seine Arbeit vergessene oder übersehene städtische Räume ins Bewusstsein zurückholen. Er möchte die Wahrnehmung für Orte und Möglichkeiten schärfen, die in ihnen verborgen sind. Was er uns dabei lehrt ist, dass eine Reduktion auf das ästhetische in der Kampfzone Öffentlicher Raum nicht gelingt. Nicht gelingt deshalb, da in einem Raum, in dem alles politisiert ist, der agierende Körper selbst zum Politikum wird. Und nicht nur das, der verharrende Körper wird zur stärksten Waffe, da er sich dem Ort, der kleinsten besetz- und gestaltbaren Zelle widmet und nicht der Dynamik, die den Ort im Raum verschwinden lässt.

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Bodies in Urban Spaces

Herausgeber: Willi Dorner

Texte von Willi Dorner und Franz Thalmair

Fotografien von Lisa Rastl

Gestaltung von Beatrix Bakondy

Deutsch, Englisch; gebunden, 160 Seiten, 345 Abb.

Erschienen im Verlag Hatje Cantz

Preis € 35.00, ISBN 978-3-7757-3847-7

 

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