Refugees welcomeQuelle: jovis

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Konzepte für eine menschenwürdige Architektur

Der Zustrom von verfolgten Menschen aus Kriegs- und Krisenregionen hat sich in den letzten Wochen und Monaten zu dem Hauptthema und zur neuen europäischen Herausforderung entwickelt. Bilder von überfüllten und hastig bereitgestellten Notunterkünften prägen die Medien. Hygienische Mängel, durch Beengung hervorgerufene Konflikte und fehlende Privatsphäre belasten die (oft traumatisierten) Flüchtlinge. Gleichzeitig sind viele Standorte von Massenunterkünften und Aufnahmelagern, hinsichtlich der sozialräumlichen Wirkungen wenig auf das urbane Umfeld abgestimmt und kaum städtebaulich konzipiert. Das bedeutet oft einen schweren nachbarschaftlichen Zugang und letztlich eine erschwerte Integration. Deshalb ist es dringend erforderlich, die gängige Praxis von Kasernen-, Container,- und Turnhallenunterkünften zu hinterfragen und auf politische Vorschläge wie „Flüchtlingsheime in ALDI-bauweise“, mit Lösungen aus Architektur und Städtebau zu reagieren.

Mit dem Buch „Refugees Welcome“ wird ein Schritt in die Richtung unternommen, Antworten und Vorschläge für eine bessere Flüchtlingsunterbringung vorzustellen. Von einem Entwurfsprojekt an der Leibniz-Universität Hannover ausgehend, stellt die Veröffentlichung Handlungsstrategien und architektonische Konzeptmodelle für innovative und prototypische Formen des Wohnens für Flüchtlinge vor. Einleitend werden die Eckpunkte der Flüchtlingsaufgabe für Architektur und Städtebau

als Plädoyer für eine menschenwürdige „Architektur des Ankommens“ formuliert. Dabei wird besonders betont, welche entscheidende Rolle die Qualität der Planung spielt und welche positiven Effekte eine innovative Architektur zur Integration leisten kann. Kernplädoyer bildet die Forderung, Flüchtlingswohnen nicht in der Peripherie, sondern in der Stadt zu ermöglichen und die Bauten hinsichtlich von Konfliktvermeidung zu planen. Daran anschließend werden notwendige Anforderungen und Anpassungen an das Planungs- und Vergaberecht, die Bauherrenaufgaben und Fragen hinsichtlich Bauqualität und –kosten kurz erörtert. Wie ein Kunst- und Kulturprojekt die Flüchtlingsunterbringung in einem zukunftsweisenden Diskurs bearbeitet, wird am Beispiel „Ecofavela“ vom Künstlerkollektiv Baltic Raw auf Kampnagel/Hamburg vorgestellt. Den Übergang zu den Projekten bildet ein Abschnitt mit grundlegenden Hintergrundinformationen zur Flüchtlings wie – Migrationssituation und Erläuterungen etwa zu Königsteiner Schlüssel oder Quoten bei Asylentscheiden.

Auf Basis der formulierten Handlungsempfehlungen stellt sich der Projektteil mit insgesamt 13 Entwürfen als eine innovative und ermutigende Grundlage dar, die ein Andersdenken der Flüchtlingsunterbringung mit Bild- und Planmaterial unterstützt. Besonders positiv ist, dass die Entwürfe mit viel Freiheit umgesetzt sind und sich über einige gesetzliche Hürden hinwegsetzen. Gleichzeitig wird über die Aufgabe der Standortwahl erreicht, geeignete Potentiale im vorhandenen Stadtraum zu suchen. So wird etwa der niederländische Expo 2000 Pavillon von MVRDV zum Entwurfsprojekt, eine ehem. Bahnhofsanlage umgenutzt oder ein Hausboot-Flüchtlingsboot entworfen.

Auch wenn die Realisierbarkeit einiger Entwürfe sicher schwer vorstellbar ist, sind die Entwürfe vor allem hinsichtlich Ihrer Ideenvielfalt gerade bzgl. sozialräumlicher Aspekte sehr diskursanregend. Deshalb bleibt nach diesem Buch der Wunsch, dass über die studentischen Projekte hinaus, die Flüchtlingsunterbringung vielmehr architektonische Innovation und sinnvolle Stadtplanung erhält.

 

Refugees Welcome
Konzepte für eine menschenwürdige Architektur

Herausgeber: Jörg Friedrich / Simon Takasaki / Peter Haslinger / Oliver Thiedmann / Christoph Borchers (Hg.)
DEUTSCH
256 Seiten
mit ca. 170 farb. Plänen und Abbildungen
Hardcover
Format: 17 x 24 cm
Euro 28.00
ISBN 978-3-86859-378-5