//Urbanophil eröffnet eine Rezensionsreihe. Hier werden wir künftig unregelmäßig neue Publikationen vorstellen und besprechen. Den Auftakt macht Christian Berkes, der redaktioneller Mitarbeiter bei ARCH+ war und als Stadtforscher in Berlin lebt.//

Auffassungen der Wissenschaft über das Wesen der Welt

Kehrt man am ersten frühlingshaften Tag des Jahres vom Seespaziergang zurück, war man offensichtlich der einzige, der drei insgesamt 900seitige Bücher und einen Laptop in einem Rucksack ohne stilistischen Mehrwert mit sich herumgetragen hat. Man könnte sich fragen, wozu. Die Antwort: wissenschaftliche Begleitung. Das steht auf dem Umschlag des ersten Bandes der Schriftenreihe „METROPOLE:“, welche seit 2007 die Arbeit der Internationalen Bauausstellung Hamburg flankiert.

Die eröffnenden „Reflexionen“ widmen sich den Bedingungen vor Ort: Neben der Entwicklung des Stadtzentrums mit dem „Sprung über die Elbe“ verfolgt die IBA Hamburg die drei Leitthemen Kosmopolis, Metrozonen und Ecoscape. Die Kosmopolis thematisiert die Chancen der internationalen Stadtgesellschaft als Quelle von Kreativität und Identität. Mit über 40 Nationalitäten auf 28 Quadratkilometern sollen die Elbinseln dabei Modellcharakter beweisen. Der Begriff Metrozonen bezeichnet die durch Nutzungskonflikte geprägten inneren Stadtränder. Die Herausforderung besteht hier vor allem in der Harmonisierung von Hafen- und Siedlungsentwicklung. Als zentrales Instrument dafür wird die Internationale Gartenschau im Jahr 2013 benannt. Das letzte der drei Leitmotive bezieht sich auf die Stadt im Klimawandel. Die in den Berichten der Reihe immer wiederkehrenden Schilderungen der großen Elbflut von 1962 zeigen die faktische Bedeutsamkeit dieses Themas für die Hansestadt und ihre Bewohner. Auf die Einführungen folgen Texte zur Stadt des 21. Jahrhunderts im Zeichen globaler Transformationsprozesse. Erwähnenswert sind die anschließenden Beiträge zum Entwicklungsinstrument IBA. Sie lassen sich zusammenziehen zu einer aufschlussreichen Rückschau, entfalten die zeitgeschichtliche Logik der verschiedenen inhaltlichen Ausrichtungen und dienen als Reflektionsebene zur Planungstheorie der letzten hundert Jahre.

Die unter dem Titel „Ressourcen“ versammelten Texte decken sich inhaltlich mit dem Leitthema der Stadt im Klimawandel und laufen vielleicht auch deswegen Gefahr, sich in den bekannten Formulierungen zu Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und Ressourcenschonung zu verlieren. Einen besseren Weg findet der Band „Bilden“. Nicht zuletzt über eine ansprechende Bildauswahl, führt er den Leser mit Leichtigkeit zu den sozialräumlichen Laborstätten einer sich verändernden Wissenswelt. Man liest von leichtmodernen Symbolanalytikern, von fliegenden Anwohnerteppichen, von performativ aufgeladenen Studentenideen, von einer bildungsoffensiven Elbinselgemeinschaft oder vom Pädagogik-Dream-Team: Kinder, Lehrer, Raum. All dies bereitet Lesefreude und macht deutlich, dass es neben den facettenreich vorgestellten städtebaulichen und architektonischen Beispielprojekten um die Schaffung von Möglichkeitsräumen geht. Die Planung von „Großprojekten mit Bedeutungsüberschuss“ – wie sie Thomas Sieverts in einem sehr lesenwerten Artikel des ersten Bandes nennt – sei ein Instrument bei der soziokulturellen Konstruktion neuer Wirklichkeiten. Die Herausforderung liegt hiernach darin, die stets lauernde Unterstellung, es würden bloße Absichtserklärungen formuliert, inhaltsreich zu entkräften. Dafür bedarf es sowohl der Darstellung, als auch der Rechtfertigung, also der Begleitung, am besten der wissenschaftlichen. Und deswegen sollte man diese Schriftenreihe nicht allein als gewichtige und unterhaltsame Nachmittagslektüre, sondern ebenso als relevanten Bestandteil der Bauausstellung selbst verstehen.

Christian Berkes

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Schriftenreihe METROPOLE:

IBA Hamburg (Hg.), dt./eng., Reflexionen (2007), Ressourcen (2008), Bilden (2009), Jovis Verlag, Berlin Ende Mai 2010 erscheint der vierte Band Metrozonen.

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