Noch bis zum 18. Juli ist in der Berliner ifa-Galerie eine höchst empfehlenswerte Ausstellung zu besichtigen: Post Oil City, über die „Stadt nach dem Öl“. Die Ausstellung ist auf Grundlage der gleichnamigen Arch+-Ausgabe vom Januar 2010 konzipiert worden (das Heft ist in der Ausstellung oder über die Website käuflich erhältlich).

Post Oil City ist nach den Oberthemen „Nachhaltigkeit“, „Stadtverkehr“ und „Stadtsystem“ gegliedert. Für jedes der drei Themen wurde eine umfangreiche und höchst informative Zeitleiste zusammengestellt. Diese zieht sich durch Heft und Ausstellung. Beim Durchlesen dieser Faktensammlung kommt allerdings immer wieder der Gedanke auf, warum es der Menschheit eigentlich immer noch nicht so richtig gelungen ist, ihren Fokus beim Lebenswandel auf mehr Nachhaltigkeit zu lenken. Vor allem, dass die zahlreichen warnenden und wachstumskritischen Initiativen und Forschungsergebnisse der 1970er Jahre (Club of Rome „Grenzen des Wachstums“, UNO-Konferenzen, zahlreiche wissenschaftliche Belege für den Zusammenhang von CO2-Anstieg und Klimaerwärmung etc.) einfach nach Ende der Ölkrise wieder verpufft sind, ist nachhaltig erschreckend.

Heute sieht die Situation etwas anders aus: Mittlerweile ist sogar zur Autoindustrie durchgedrungen, dass Peak Oil im Moment ist und nur noch ein paar Jahre anhält und für die Zeit danach neue Ideen vonnöten sind. Elektromobilität z.B., was konsequenterweise auch als Thema behandelt wird. Zur Sprache kommt auch, dass städtebauliche DICHTE eine zentrale Bedeutung hat, wenn es darum geht, sparsam zu leben. Wenn die nicht gegeben ist – wie z. B. in Philadelphia – dann ist meistens Suburbanisierung mit im Spiel. Aber die Ausstellung zeigt, dass brach gefallene Innenstadtflächen auch für Urban Agriculture genutzt werden können, das kennt man ja auch schon aus Detroit – und Berlin ist ein Mangel an innerstädtischen Kleingartenanlagen nun auch nicht wirklich vorzuwerfen.

Ein besonderes Highlight von Ausstellung und Zeitschrift sind Illustrationen und Beschreibungen der Planungen des neuen New Yorker „High Line“-Parks, welcher auf einer nicht mehr genutzten Hochbahntrasse in Manhattan angelegt wurde und in Teilbereichen 2009 eröffnet wurde (urbanophil berichtete bereits). Schöne Vorher-Nachher-Fotos illustrieren den Wandel von einer für den Verkehr bestimmten Trasse, die nach dem Ende der Nutzung der Natur überlassen wurde und sich nun als grüne Oase mehrere Meter oberhalb des Straßenniveaus durch den südwestlichen Teil Manhattans zieht. Die Illustrationen der Planungen werden in der Ausstellung durch ein animiertes Video zur Entstehung und Planung des Parkes ergänzt.

Auch die im Emirat Abu Dhabi derzeit entstehende Stadt Masdar City wird unter mehreren Schwerpunkten vorgestellt. Zum einen wird das dort geplante automatisierte Verkehrssystems vorgestellt. Vorgesehen ist, die Mobilität der Stadt vollkommen ohne Autos zu ermöglichen. Stattdessen wurde ein unterirdisches Personal Rapid Transit-System konzipiert, welches unterirdisch verläuft und sowohl individuell als auch gemeinschaftlich nutzbar ist. Die Straßenebene der Stadt ist allein Fußgängern und Radfahrern vorbehalten, oberirdisch verläuft eine Schnellbahn, die auch Anschlussmöglichkeiten an umliegende Städte bietet. Detailliert erläutert (auch anhand zahlreicher Pläne und Grafiken) wird auch die klimagerechte Planung von Masdar City, welche die Ausrichtung und Aufteilung von Stadt und Architektur beinhaltet, ebenso wie Müllvermeidungskonzepte und zahllose Maßnahmen um möglichst energieeffizient zu bauen.

Kritisch an der Zeitschriftenausgabe ist anzumerken, dass der Leitartikel zur postfossilen Mobilität zwar mit vielen postfossilen Verkehrsmitteln bebildert ist (einfach nur zu Fuß gehen fehlt allerdings), das Fahrrad im gesamten Artikel aber nur ein einziges Mal erwähnt wird. Stattdessen werden in dem Artikel fast ausschließlich (sehr teure) hochtechnologische Ideen als Lösung vorgestellt, u.a. Magnetschwebebahnen und Hochgeschwindigkeitszüge für Fernstrecken. Diese mögen zwar technisch faszinierend sein, zur Verbesserung der tatsächlich nachgefragten Mobilität können sie jedoch nur marginal beitragen. Ein Großteil aller zurückgelegten Wege ist nun mal eher unter 50 km lang, als 150 km – ein Beitrag zum Ausbau des Regionalverkehrs wäre da vielleicht technisch nicht so sexy geworden, aber problemorientierter. Da ca. 50 % aller mit dem Auto in Deutschland zurückgelegten Wege kürzer als 5 km sind, geht der Artikel auch beim Thema Stadtverkehr doch leider sehr an den Diskussionen, die derzeit in Kommunen geführt werden, vorbei bzw. klammert einen äußert wichtigen Teil der Diskussion – nämlich die Wiederentdeckung des Fahrrads als städtisches Verkehrsmittel – vollkommen aus.

Insgesamt bieten Ausstellung und Zeitschrift aber einen sehr guten Einblick in die Herausforderungen und Themen der Stadt nach dem Öl. Dabei werden zum Teil konkrete und sehr spannende Praxisbeispiele der Gegenwart vorgestellt, Utopien der Vergangenheit hevorgeholt und Visionen  für die Zukunft entworfen. Die Ausstellung ist dem Heft visuell überlegen, weil alles viel größer und heller zu betrachten ist, zudem werden die Materialien z. T. durch Videos ergänzt. Das Heft wiederum ist an Informationsgehalt überlegen, da neben den konkreten Projekten auch zahlreiche detaillierten Artikel zum Thema vorzufinden sind. So wurden für beide “Medien” die jeweiligen Stärken ausgespielt und gezeigt, dass die gemeinsame Konzeption von Zeitschrift und Ausstellung eine gute Idee sein kann.

Mit der aktuellen Ausgabe “Haus der Zukunft” widmet sich die Arch+ dem Thema übrigens nochmal etwas mehr im Detail.

Die Post Oil City-Ausstellung ist noch bis zum 18. Juli in der ifa-Galerie zu sehen:

Öffnungszeiten, in der Linienstraße 139/140:

Di – So: 14 – 20 Uhr

Samstags: 12 – 20 Uhr

Freitag, 2. Juli: 14 – 21 Uhr