Städte wachsen rasant und stetig und es ist nicht abzusehen, wann dieses Wachstum zu einem Ende kommen wird. Dies birgt viele Herausforderungen denen Kommunen und urbane Akteure lokal begegnen müssen, denn das was ein urbanes Lebensgefühl ausmacht, wird vielfältig sichtbar und an jedem Ort auf andere Weise verhandelt.

Abb.: Cover der Publikation mit freundlicher Genehmigung des Jovis Verlags

Abb.: Cover der Publikation mit freundlicher Genehmigung des Jovis Verlags

Städte sind ein interessantes Spielfeld, in dem viele unterschiedliche NutzerInnen erproben, wie sich ein vielfältiges qualitätvolles Miteinander gestalten und dauerhaft leben lässt. Nicht selten helfen performative, temporäre und dauerhafte Interventionen Zusammenleben zu strukturieren, Begegnungen zu ermöglichen, gewohnte räumliche Situationen anders wahrzunehmen oder schlicht über eine kurze Gelegenheit des gemeinsamen Erlebens und Erfahrens die eigenen Nachbarinnen und Nachbarn kennenzulernen.

Stadtentwicklung kann schon lange nicht mehr einfach angeordnet und von oben herab durchgesetzt werden, deshalb finden viele Entwicklungen aus privater Initiative, oft auch ohne administrative Beteiligung statt und bergen große Potentiale, aus denen kommunale Stadtentwicklungsakteure umfangreich schöpfen und lernen können. Hier setzt der Berliner Urban Intervention Award Berlin an, im Rahmen dessen herausragende Projekte eingefordert und auszeichnet werden. Der Award wird in zwei Kategorien – „Built“ und „Temporary“ – ausgelobt. Es werden „neue und intelligente Lösungen für die Stadt von morgen“ gesucht, die im Zusammenwirken von Partnern unterschiedlicher Bereiche und Disziplinen geplant und realisiert wurden und die Beispiele exzellenter Baukunst in Verbindung mit neuen innovativen Nutzungs- bzw. Umnutzungskonzepten sind. Ein hoher Anspruch an die Projekte, die ferner nachweislich das Umfeld und den Lebensraum für Menschen verändert haben müssen.

Um diese Forderungen zu konkretisieren, betont die Berliner Senatsbaudirektorin Regula Lüscher im Vorwort zum unlängst im Jovis Verlag erschienenen Buch „Transforming Cities – Urban Interventions in Public Space“, zwei wesentliche Dinge, die neue und intelligente Lösungen für die Stadt von morgen brauchen:

  1. Die Begegnung der vielen am urbanen Leben beteiligten Akteure auf Augenhöhe
  2. Das Zusammenleben in den Städten neu und für alle verträglicher zu organisieren

Im Kern geht es also darum neue Beteiligungsprozesse zu entwickeln und zukunftsorientierte städtische Entwicklungen zu befördern.

Die Ergebnisse des „Urban Intervention Award 2013“ sind im nun vorliegenden Band „Transforming Cities – Urban Interventions in Public Space“ dokumentiert und werden durch begleitende Aufsätze von Regula Lüscher, Oliver G. Hamm, Andreas Ruby, Lukas Feireiss und Jörg Stollmann gerahmt. Insgesamt ist ein reich bebilderter Katalog mit unterschiedlichsten Interventionen entstanden, die zum „Urban Intervention Award“ eingereicht und im Rahmen dessen als gute oder interessante Beispiele ausgewählt wurden.

So unterschiedlich die Beiträge auch sein mögen, durch jeden einzelnen werden Fragen nach urbaner Lebensqualität, Chancen partizipativer Entwicklungsprozesse, der Erweiterung des Kreises planerischer und gestalterischer Akteure nicht nur aufgeworfen, sondern oftmals auch kreativ und konstruktiv beantwortet. Wobei es jedoch nicht immer die große bauliche Geste sein muss. Fast das Gegenteil ist der Fall, denn auch viele kleine Interventionen lösen Effekte aus, lassen Neues zu und ermöglichen es die eigenen Sichtwesen und Gewohnheiten zu überprüfen und in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext einzufügen.

Neben den wirklich sehr guten Aufsätzen der vorgenannten Autoren, ist die Stärke des Buchs die sehr gelungene Darstellung der unterschiedlichen Projekte, die durch ein diskretes aber sehr modernes Design präsentiert werden. Jedes Projekt wird auf mindestens einer Doppelseite mit allen notwendigen Daten, mehreren aussagekräftigen Fotos und einem knapp in das Projekt einführenden Text dargestellt sowie zur besseren Übersichtlichkeit teilweise durch Planzeichnungen und Skizzen ergänzt. Auf diese Weise werden die Beispiele sehr gut in eine Reihe gestellt und dadurch auch vergleich- und nachvollziehbar.

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Abb.: Musterseite mit freundlicher Genehmigung des Jovis Verlags

Was ich jedoch nachteilig finde ist, dass die Projekte lediglich beschrieben werden und nicht benannt wird warum sich die Ausloberin und die Jury für die entsprechenden Beispiele interessiert haben. Meines Erachtens werden die Beispiele ferner in einer ‘Erfolgsreihung’ präsentiert, die keine Diskussion über die kritischen Aspekte der Beispiele (oder auch nur Nennung derer) zulässt. Das finde ich bei Beispielen wie dem Nominierten „Metropol Parasol“ von Jürgen Mayer H. oder dem „BMW Guggenheim LAB“ nicht ganz unwichtig, zudem ein Teil der Projekte (u.a. die beiden genannten) heftigste Proteste hervorgerufen haben. Sicherlich, diese Diskurse in allen Einzelheiten abzubilden wäre etwas zu viel verlangt, die Beispiele aber so unkritisch stehen zu lassen finde ich nicht sehr elegant gelöst, zumal es sich wunderbar anbieten würde die kritischen Aspekte der Beispiele mit dem Aufsatz von Lukas Feireiss zu verbinden.

Alles in allem bleibt so ein auch für Fachfremde gut und ich würde fast sagen vergnüglich zu lesendes Buch, das mit seiner Aufbereitung, den begleitenden Aufsätzen und der reichen Bebilderung punktet. Wer einen übersichtlichen Katalog an interessanten zeitgenössischen Beispielen urbaner Interventionen sucht, wird hier sehr gut und umfassend bedient. Wer sich eingehender mit den Beispielen, auch mit Kritikpunkten und den Protesten gegen Teile der Projekte auseinandersetzen möchte, muss leider entweder gut informiert sein oder sich wie gewohnt die Informationen selbst zusammentragen.

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Transforming Cities
Urban Interventions in Public Space

Herausgeber: Kristin Feireiss / Oliver G. Hamm (Hg.) in Kooperation mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Berlin
DEUTSCH/ENGLISCH
192 Seiten
mit ca. 250 Abbildungen
Klappenbroschur
Format: 21 x 27 cm
Euro 32.00  sFr 42.00
ISBN 978-3-86859-337-2

Erschienen im Dezember 2014

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