In den beiden Büchern „Megastädte zwischen Begriff und Wirklichkeit“ von Johanna Hoerning und „Glauben in Mega-Citys“ von Margit Eckholt und Stefan Silber (Hg.) nähern sich die Autoren auf unterschiedliche Weise den Megastädten Südamerikas. Während Johanna Hoerning eine grundlegende Untersuchung des Begriffs der Megastadt in Abgrenzung von der Großstadt in Brasilien vornimmt, widmen sich Margit Eckholt und Stefan Silber der „Pastoral urbana“ Lateinamerikas in Form eines Sammelbands. Beiden Werken ist gemein, dass sie die Perspektiven lateinamerikanischer Forscher und Praktiker einbringen möchten.

Hoerning: ‚Megastädte‘ zwischen Begriff und Wirklichkeit, Bielefeld 2016
Grundlegendes möchte Johanna Hoerning in ihrer Publikation zu Megastädten leisten: Anhand empirischer Fallstudien zu den brasilianischen Städten Sao Paulo und Rio de Janeiro (als Megastädte) sowie Recife und Porto Alegre (als Großstädte) sollen charakteristische Spezifika herausgearbeitet werden, die Megastädte von kleineren Städten unterscheidbar machen. Es ist der Publikation dabei hoch anzurechnen, dass dies in einem dafür nachvollziehbaren Rahmen – innerhalb einer Nation – geschieht und sich dadurch positiv von anderen Untersuchungen zum Thema abgrenzt. Der Untersuchungsrahmen wird im Vorfeld mit den dadurch bedingten Grenzen aber auch Vorteilen überzeugend dargestellt, gerade die immer wieder eingebauten Schaubilder und Zusammenfassungen erleichtern es, dem roten Faden zu folgen. Die Notwendigkeit solcher Zwischenschritte zeigt sich auch dadurch, dass nebenbei ein umfassender Überblick über den Stand der Megastadtforschung und weite Teile der Stadtforschung gegeben wird. Man muss die theoretische Anbindung an Henri Lefebvre nicht teilen, um auch so den großen Mehrwert für den wissenschaftlich interessierten Leser zu erkennen. Die Empirie – das sei ergänzt – fällt hinter dieser Qualität glücklicherweise nicht zurück, sondern ergänzt und vertieft die theoretischen Gedanken. Brasilianische Megastädte, das bleibt am Ende festzuhalten, bestätigen und widerlegen einige Grundannahmen in der globalen Megastadtforschung und diese Erkenntnisse, zusammen mit den neu aufgeworfenen Fragen, weiterzuverfolgen lohnt sowohl für die Wissenschaft als auch für die Leser, wenn das in einer solch ansprechenden Form geschieht.

Johanna Hoerning
»Megastädte« zwischen Begriff und Wirklichkeit
Über Raum, Planung und Alltag in großen Städten
ISBN 978-3-8376-3204-0, transcript Verlag, 368 Seiten
Bielefeld, 2016, Preis: 34,99 Euro
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Eckholt/Silber: Glauben in Mega-Citys, Ostfildern 2014
Das Buch von Margit Eckholt und Stefan Silber nähert sich der Thematik Megastadt von einer ungewohnten Seite. Durch fünf interdisziplinäre Forschungsgruppen in Buenos Aires/Cordoba, Mexiko-Stadt, Bogota, Santiago de Chile und Campinas wurden von 2010-2013 mit deutscher Projektleitung vor dem „Hintergrund pastoraler Herausforderungen und mit verschiedenen Fragestellungen empirisch-theologische Studien zu den Transformationsprozessen in den Großstädten und ihren Auswirkungen auf die Pastoral“ durchgeführt. Das vorliegende Werk bündelt diese Ergebnisse und dokumentiert gleichzeitig den Erarbeitungsprozess. Wichtiger Bezugspunkt ist dabei die 4. Generalversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe im Jahr 2007, in deren Abschlussdokument Städte als „Laboratorien“ der „zeitgenössischen komplexen und pluralen Kultur“ angesehen werden und damit einen spezifisch lateinamerikanischen Entwicklungsprozess einer „Theologie der Stadt“ im Sinne einer „Pastoral urbana“ fortführt. Stadt wird hier begriffen als „Zeichen der Zeit“, in dem Veränderungsprozesse sichtbar werden und worauf aus Sicht der Theologie Antworten gefunden werden müssen. Theoretischer Anknüpfungspunkt sind die Arbeiten von Doug Sanders und Edward Soja, ohne jedoch tiefgründige Begriffsklärungen zu leisten, was u.a. dadurch deutlich wird, dass mal von Stadt, dann von Großstadt und Megastadt gesprochen wird. Wichtig ist den Autoren wohl eher eine spezifische städtische Dynamik abzubilden (in der Publikation wird von der „bewegten Stadt“ gesprochen) als den Untersuchungsgegenstand eindeutig abzugrenzen. Vor diesem Hintergrund sind dann auch die vielfältigen Beiträge zu sehen, die von praktischen Erwägungen bis zu theoriegeleitenden Reflexionen reichen und in Summe eher als Handwerkszeug und Gedankenanstoß anzusehen sind. Das Buch bietet dadurch für Leser mit religionswissenschaftlichem oder theologischen Hintergrund einen direkten und empfehlenswerten Mehrwert (knüpft es doch an tagesaktuelle Fragestellungen in Deutschland an) und ist für alle anderen Leser vielleicht eher als interessanter Blick über den eigenen Tellerrand zu empfehlen.

Margit Eckholt / Stefan Silber (Hg.)
Glauben in Mega-Citys
ISBN: 978-3-7867-3011-8, Matthias Grünewald Verlag, 484 Seiten
Ostfildern, 2014, Preis: 35 Euro
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