Wer an Berliner Hinterhöfe denkt, der mag zwischen zwei Assoziationen hin und hergerissen sein. Viele werden an grüne Oasen denken, einem Ort der Erholung und Rast, eine Abgrenzung zum lauten Straßenlärm oder gar der Erweiterung des eigenen Wohnraums. Wer jedoch keinen Zugang zu solch einem Hinterhof hat, dem fallen vielleicht eher Begriffe wie Schmutz, Schall und Abstellplatz für allerlei Dinge ein.

Am Rande der stehenden Zeit. Berlin Nordost. 1972-1990. Manfred Paul. Fotografien - Mit freundlicher Genehmigung von photo edition berlinQuelle: Manfred Paul photo edition berlin

Am Rande der stehenden Zeit. Berlin Nordost. 1972-1990. Manfred Paul. Fotografien – Mit freundlicher Genehmigung von photo edition berlin

Manfred Paul hielt in seinen Fotografien den Berliner Nordosten vor der Wende fest. Zum Teil erinnern diese stark an Bilder aus den Anfängen der Mietskaserne. Dunkel, leer, still und heruntergekommen. Andere verdeutlichen die Rolle des Hinterhofs als Ort des dazwischen, um den sich niemand so recht kümmert und der sich selbst überlassen bleibt.

Am Rande der stehenden Zeit. Berlin Nordost. 1972-1990. Manfred Paul. Fotografien - Mit freundlicher Genehmigung von photo edition berlinQuelle: Manfred Paul photo edition berlin

Am Rande der stehenden Zeit. Berlin Nordost. 1972-1990. Manfred Paul. Fotografien – Mit freundlicher Genehmigung von photo edition berlin

Der Zwischenraum Hinterhof schwankt damals wie heute zwischen der Bedeutung als Möglichkeitsraum und der Betrachtung als Ort der Angst und Unsicherheit. Historisch gesehen sollte er ein Mindestmaß an Licht und Luft garantieren, bot Platz für haushaltliche Tätigkeiten und für alle, die den beengten Wohnverhältnissen versuchten zu entfliehen.  Zum anderen standen die schlechten Lichtverhältnisse, Ungepflegtheit und Schmucklosigkeit für das Schreckensbild Mietskaserne. Die Mietskaserne, eine Folge des Hobrecht-Plans aus dem Jahr 1862, sollte Platz für die aufgrund der Industrialisierung wachsenden Bevölkerung Berlins bieten. Die zu bebauende Fläche sollte maximal ausgenutzt werden, wodurch standardisierte Kleinstwohnungen entstanden, deren Zugang zu Tageslicht und Frischluft zum Teil nur durch die Hinterhöfe gewährleistet wurde. Wer sich das Mindestmaß der Höfe von 5,3m*5,3m vor Augen führt, dem wird die Beengtheit sofort bewusst. Doch erst ein weiterer Missstand sollte die Hinterhöfe für das folgende Jahrhundert in Verruf bringen. Der Bau ging zu langsam voran und die Mietskaserne diente als Spekulationsobjekt. Überteuerte Mieten und eine enorme Überbelegung waren die Folgen, welche hygienische und soziale Miseren mit sich brachten. Erst in der Weimarer Republik erfolgte eine Abkehr von der Mietskaserne hin zu Großprojekten am Stadtrand. Eine Umbewertung sollte allerdings erst Ende des 20. Jahrhunderts stattfinden, als historische Bestände durch behutsame Sanierung einen neuen Gebrauchswert erhielten.

Berlin Hausparty Hinterhof Freidrichshain - Mit freundlicher Genehmigung von Henning Onken www.fensterzumhof.euQuelle: Henning Onken www.fensterzumhof.eu

Berlin Hausparty Hinterhof Freidrichshain – Mit freundlicher Genehmigung von Henning Onken www.fensterzumhof.eu

Henning Onken beschäftigt sich eher mit der Aneignung dieses Zwischenraums. So kann der Hinterhof als Freiraum für Partys, Lagerstätte oder Schlafplatz diesen. Vor allem aber zeigen seine Bilder die Vielfältigkeit und Buntheit dieses Ortes.

Hinterhof Friedrichshain - Mit freundlicher Genehmigung von Henning Onken www.fensterzumhof.euQuelle: Henning Onken www.fensterzumhof.eu

Hinterhof Friedrichshain – Mit freundlicher Genehmigung von Henning Onken www.fensterzumhof.eu

Auch wenn sie sprachlich nicht weit entfernt liegen, haben Berliner Höfe dennoch eine ganz andere Entwicklung hinter sich. Als Wohn- und Gewerbehöfe angelegt entstanden die meisten Ende des 19./ Anfang des 20. Jahrhunderts. Großzügig gestaltet und architektonisch ausgefeilt lag hier die Betonung auf dem repräsentativen Charakter der Gebäude. Das wohl bekannteste Beispiel sind die Hackeschen Höfe, die sich durch eine geschickte Vermarktung und Verflechtung von Kultur und Einzelhandel einen internationalen Namen gemacht haben.

Waldemarstraße 37 - Mit freundlicher Genehmigung von Nils Gemeinhardt www.berliner-hoefe.deQuelle: Nils Gemeinhardt www.berliner-hoefe.de

Waldemarstraße 37 – Mit freundlicher Genehmigung von Nils Gemeinhardt www.berliner-hoefe.de

Nils Gemeinhardt widmet sich hingegen den Berliner Wohn- und Gewerbehöfen und gibt einen Einblick in die Entstehungs- und Nutzungsgeschichte. Die Architektur steht bei seinen Aufnahmen im Vordergrund und verdeutlicht die Anmut der großen Höfe.

Engelbecken-Hof. Blick aus Aufgang 4 - Mit freundlicher Genehmigung von Nils Gemeinhardt www.berliner-hoefe.deQuelle: Nils Gemeinhardt www.berliner-hoefe.de

Engelbecken-Hof. Blick aus Aufgang 4 – Mit freundlicher Genehmigung von Nils Gemeinhardt www.berliner-hoefe.de

Es verwundert also nicht, dass Berliner (Hinter-)höfe im Laufe der Geschichte ein Faszinosum darstellten. Historische Fotografien vermitteln vor allem die damalige Tristesse, aktuelle Blogs beschäftigen sich eher mit architektonischer Bedeutung, Schönheit und Aneignung von Höfen und Hinterhöfen.