Es gibt wenige kulinarische Höhepunkte, die den meisten von uns ein größeres Lächeln auf die Lippen zaubern, als eine Portion Pommes an unserer Lieblingsbude. Und Belgien ist natürlich eines der Mutterländer der Pommes. Doch selbst im Land der Mayonnaise und Frittensauce werden die Buden immer weniger. Dabei sind sie weit mehr, als nur Fast-Food-Manufaktur: Sie sind ein Ort urbaner Kommunikation und sozialer Interaktion.
Die schöne Dokumentation “Pommes und Palaver” (58 Min.) von ARTE portraitiert die Betreiber und Kunden belgischer Imbisse.

Die “Fritkots” sind fester Bestandteil der belgischen Kultur und Landschaft. In der Auslage findet man neben den obligaten Pommes frites auch Frikadellen, Poulicrok, Tsigane, den jeweiligen Buden-Spezial-Burger, Mitraillette (Baguette mit Fleisch, Pommes und Soße) und andere typisch belgische Imbisse. Das Nonplusultra ist eine Frittenbude, wo die Soßen noch hausgemacht sind – aber dementsprechend länger ist auch die Warteschlange. Manchmal steht man eine halbe Stunde an, bis man die leckeren Fritten bekommt, die von Hand geschnitten und in zwei verschiedenen Ölbädern gebacken werden. Eine wunderbare Gelegenheit, alle möglichen Leute kennenzulernen.
Bei der Frage, was Belgien wesenseigen ist – und zwar ganz Belgien -, stellt man schnell fest, dass es die einfachen Dinge sind. Und bei denen regionale und sprachliche Differenzen ausgeblendet werden und nur noch das Miteinander zählt. Auf der Suche nach einem Ort, der dieses “belgische Miteinander” symbolisiert und den es ungeachtet der Regionen und Sprachen im ganzen Land gibt, fielen automatisch die belgischen Frittenbuden auf.
Fritkots sind aus dem Städtebild Belgiens nicht wegzudenken, doch sie haben zwei mächtige Feinde: die Städteplaner der großen Städte, denen sie ein unästhetischer Dorn im Auge sind, und die EU-Gesetzgeber, die die Hygiene der Fritkots bemängeln und unrealistische Auflagen verhängen. Aber bislang hat die Fritkot überlebt.
Das Beispiel der unbesiegbaren “Frite Flagey” machte Furore: Sogar die Fernsehnachrichten berichteten darüber, es gab zahlreiche Blogs und Zeitungsartikel. Die geplante Schließung dieser Kult-Frittenbude missfiel der Öffentlichkeit. Eine Lobbygruppe bildete sich, die Unterschriften aus aller Welt sammelte und damit bewies, dass die Fritkot für gesellschaftlichen Zusammenhalt sorgt.
Denn hier gibt es keine Diskriminierung, jeder in Belgien mag diesen Ort: Reiche und Arme, waschechte Belgier und Eingebürgerte. Man liebt die Fritte für das, was sie ist: ein einfacher und unkomplizierter Imbiss, den man mit den Fingern isst und bei dem man sich mit jedem unterhalten kann. An der Fritkot kommen die Leute unweigerlich ins Gespräch, entweder mit dem Budenbesitzer oder untereinander. Der Ort ist klein, man steht in der Warteschlange, die Akzente vermischen sich. Hier holen sich Einsame ein bisschen Wärme, stärken sich Reisende, holen sich Familien ein billiges Abendessen, entspannt man sich mit Freunden oder Kollegen. Außerdem erfüllt die Bude Straßen oder Wohnviertel mit Leben, die sonst wie leer gefegt wären. Das ist Belgien, wie man es mag, ein ganz besonderer Melting-Pot.